Wer gewinnt die Wahl in Österreich? Interview mit Parteienforscher Peter Filzmaier

Peter Filzmaier lehrt an der Donau-Universität Krems. Im AZ-Interview äußert sich der Parteienforscher zum Wahlkampf in Österreich, zu einer Regierungsbeteiligung der FPÖ – und möglichen Reaktionen des Auslands
Interview: Stephan Kabosch |
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Die Konkurrenten um das Kanzleramt in Wien legten sich im Wahlkampf jede Menge Steine in den Weg. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier (kl. Bild) dazu im AZ-Interview.
imago/Viennareport, dpa Die Konkurrenten um das Kanzleramt in Wien legten sich im Wahlkampf jede Menge Steine in den Weg. Politikwissenschaftler Peter Filzmaier (kl. Bild) dazu im AZ-Interview.

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier (50) lehrt an der Donau-Universität Krems. Im Interview mit der AZ äußert sich der Parteienforscher zum Wahlkampf in Österreich, zu einer Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen FPÖ – und möglichen Reaktionen des Auslands

AZ: Herr Professor Filzmaier, der zumindest früher selbst polternde FPÖ-Chef Strache spricht mit Blick auf den Schmutzwahlkampf zwischen SPÖ und ÖVP vom Niedergang der politischen Kultur. Entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, oder?
Peter Filzmaier: Da ist generell viel Scheinmoral dabei, nicht nur von der FPÖ. Dieser Wahlkampf soll besonders schmutzig sein? Im Vorjahr (beim Wahlkampf ums Amt des Bundespräsidenten, Anm.) gab es frei erfundene und systematisch verbreitete Gerüchte und gefälschte "Dokumente" einer Krebserkrankung eines Präsidentschaftskandidaten, von wem auch immer sie stammten. Wollen wir wirklich glauben, dass nach 13 Jahren Facebook einzig und allein ein Berater der SPÖ die Idee einer Schmutzkübel-Fakeseite hatte? Eher nein. Neu ist nur, dass man aufflog.

Jahrzehntelang haben Sozialdemokraten und Volkspartei Österreich fast ununterbrochen gemeinsam regiert. Wie konnte es soweit kommen, dass sich ausgerechnet die beiden bisherigen Koalitionspartner nun so erbarmungslos bekämpfen?
Die Österreicher sind dieser Großen Koalition definitiv überdrüssig. Es ist schlichtweg so, dass alle Kompromisse zwischen den beiden nur der kleinste gemeinsame Nenner sind. ÖVP und SPÖ hatten früher das gemeinsame Ziel des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, später des Beitritts zur Europäischen Union 1995. Dieses gemeinsame Ziel gibt es nicht mehr.

Wird die FPÖ also am Sonntagabend der lachende Dritte sein – oder besser: Kann sie noch auf Platz zwei oder sogar eins landen?
An Ratespielen zum Wahlergebnis beteilige ich mich als Politikwissenschaftler nicht. Wir haben 15 Prozent Unentschlossene, da ist also jederzeit ein Last-minute-Ausschlag möglich - in jede Richtung.

Halten Sie eine Neuauflage der Großen Koalition noch für denkbar oder führt an einer Regierungsbeteiligung der FPÖ kein Weg vorbei?
Unmöglich ist nichts, doch ÖVP und SPÖ sind ja in einem in jeder Hinsicht tiefen Streit. Die ÖVP war umgekehrt ja von 2000 und 2005 mit der FPÖ in einer Bundeskoalition und man regiert auch in Oberösterreich auf regionaler Ebene gemeinsam, warum sollte das also nun ausgeschlossen sein?

Und ein Bündnis zwischen der sozialdemokratischen SPÖ und der FPÖ?
Das gab es ja schon einmal zwischen 1983 und 1986. Und auf Landesebene, im Burgenland, regieren seit 2015 SPÖ und FPÖ gemeinsam. 2004 hat die SPÖ einen Parteitagsbeschluss gefasst, nicht mit der FPÖ in eine Koalition auf Bundesebene einzutreten. Aber Parteichef Christian Kern würde die Parteibasis über einen Koalitionsvertrag abstimmen lassen - auch wenn es ein Vertrag mit der FPÖ wäre.

Welche Rolle spielen in Österreich Bedenken aus dem Ausland wegen einer möglichen Regierungsbeteiligung der FPÖ? Könnte es ähnlich drastische Reaktionen geben wie im Jahr 2000, als die übrigen EU-Mitglieder die bilateralen Beziehungen aussetzten?
Das wäre absurd. Meinen Sie, dass beispielsweise Polen und Ungarn die bilateralen Beziehungen auf Eis legen, weil Ihnen die österreichische Regierung zu weit rechts wäre? Sebastian Kurz wird von jedem Regierungspartner ein Bekenntnis zur EU verlangen. Die FPÖ, sollte sie in der Regierung sein, sorgt hier natürlich für diplomatische Störungen, doch hat auch sie Interesse gemäßigter aufzutreten, um nicht dämonisiert zu werden.

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