Wenn schlechter Rat teuer ist: „Das ist hochgradig unseriös“
Die Münchnerin Ursula K. wollte gar nichts anlegen. Trotzdem überredete die Postbank die 86-Jährige zu einem Immobilienfonds. Ähnlich geht es vielen anderen Bank-Kunden
Ursula K. weiß gerne ganz genau, was mit ihrem Geld passiert. Die Rentnerin ist seit Jahren Kundin bei der Postbank. Ein Postsparbuch und ein Girokonto reichten ihr bislang als Anlageform aus. Das Thema Geldanlage hatte die 86-jährige Münchnerin daher auch überhaupt nicht im Sinn, als sie jüngst ihre Stammfiliale der Postbank besuchte. Sie wollte nur eine Steuerbescheinigung für ihre Zinseinnahmen.
Als die ältere Dame jedoch die Filiale verließ, hatte sie 50000 Euro in zwei Anlageformen angelegt, von denen sie vorher kaum etwas gehört hatte: 20000 Euro als Festgeld, 30000 Euro in einem offenen Immobilienfonds des Anbieters Crédit Suisse.
Seine Mutter sei in ein „gezieltes Verkaufsgespräch“ verwickelt worden, „das den Kunden nicht ohne Unterschrift entkommen lässt“, berichtet Ursula K.s Sohn Michael. Sie sei nicht einmal in der Lage gewesen, ihm die Geld-Anlagen zu erklären. „So ein Vorgehen ist hochgradig unseriös“, schimpft der Architekt.
„Der Fall ist typisch für das Vorgehen vieler Banken bei der Beratung“, sagt Thomas Bieler, Anlageexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Die Verbraucherschützer haben eine Umfrage gestartet, in der sie Bankkunden nach Erfahrungen mit Bankberatern fragen.
Zwischenergebnis nach 350 Antworten: Mit „Drückermethoden“ drängten die Bankmitarbeiter oft unerfahrene Kunden zur Investition in Risikopapiere. „In der großen Mehrzahl der Fälle sind davon ältere Bankkunden betroffen“, sagt Thomas Bieler. Oft werde vorhandenes Geld vom Sparbuch in kompliziertere Anlageformen umgeschichtet.
Hintergrund: „Die Bank verdient an diesen Produkten mehr“, so Bieler. Bei einem offenen Immobilienfonds etwa, wie er Ursula K. verkauft wurde, kassiert die Bank eine Abschlussgebühr von bis zu fünf Prozent der Anlagesumme, den „Ausgabeaufschlag“. Hinzu kommt jedes Jahr eine Bestandsprovision. „Das lohnt sich für die Bank mehr als Geld, das nur auf dem Sparbuch liegt.“ Bieler spricht von einem „völlig fehlgeleiteten System der Banken“. Darin gehe es nur darum, den Kunden Provisionen abzujagen. Gegen einige Geldinstitute, etwa die Citibank, will die Verbraucherzentrale nun rechtlich vorgehen.
Bei der Postbank weist man solche Vorwürfe von sich. Beschwerden älterer Anleger über die Beratungsqualität kämen kaum vor, so ein Sprecher. Im Fall Ursula K. habe die Beraterin den Eindruck gehabt, „dass die Dame genau wusste, was sie wollte“. Im übrigen seien für ältere Kunden längerfristige Produkte die bessere Anlage. Dazu gehörten auch offene Immobilienfonds. Grundsätzlich sei das ein sicheres Produkt.
Derzeit jedoch eher nicht. Denn wegen der Immobilien- und Finanzkrise warnen Experten vor Verlusten dieser Fonds. Viele Anleger haben daher zuletzt Geld von dort abgezogen. Etliche Fonds mussten schließen – das heißt, die übrigen Investoren kommen monatelang nicht an ihr Geld. Auch der Fonds, den die Postbank Ursula K. verkauft hat, ist mittlerweile dicht.
Ihr Geld hat die Rentnerin dennoch wieder. Nach Anfrage der AZ hat die Bank die Anlagebeträge zurückgebucht. „Meine Mutter ist sehr erleichtert“, berichtet Michael K. Sie habe viele schlaflose Nächte gehabt. „Nun werden wir das Geld wohl bei einer anderen Bank anlegen.“
AZ-Tipps: Worauf Sie beim Beratungsgespräch achten asollten.
Die Finanzkrise hat es den Anlegern bewusst gemacht: Sie haben in ihren Depots Produkte liegen, die riskanter sind, als sie dachten. Das mussten vor allem Kunden erfahren, denen Berater Zertifikate der US-Investmentbank Lehman Brothers verkauft hatten. Nach deren Pleite sind die Papiere kaum noch was wert.In solchen Fällen gilt: Hat die Hausbank den Kunden falsch beraten, muss sie für den Schaden haften. „Eine Falschberatung liegt vor, wenn dem Anleger ein wesentlich riskanteres Produkt verkauft worden ist, als er es wollte“, sagte Katja Fohrer von der Münchner Kanzlei Mattil und Kollegen. Das nachzuweisen ist aber oft schwer. Die AZ sagt, worauf Sie im Beratungsgespräch achten sollten.
Einfache Produkte wählen. Lassen Sie sich das Anlageprodukt von Ihrem Berater genau erklären. „Wenn Sie’s nicht verstehen, lassen Sie die Finger davon“, sagt Verbraucherschützer Thomas Bieler. Im Zweifel bleiben Sie bei Sparbuch oder Festgeld.
Nie sofort unterschreiben. Auch wenn Sie der Berater überzeugt hat: Nehmen Sie die Unterlagen mit nach Hause, beraten Sie sich mit Jemandem. Fragen Sie sich, ob Anlagedauer und das Risiko der Anlage zu Ihnen passen.
Anlageprotokoll prüfen. Oft füllt der Bankberater ein Protokoll der Beratung aus. Wenn nicht, sollten Sie darauf drängen. Prüfen Sie aber hinterher, ob das, was im Protokoll steht, auch stimmt. Lassen Sie sich eine Kopie als Nachweis geben. Wenn Sie keine bekommen, verzichten Sie auf das Geschäft.
Nehmen Sie Begleiter mit. Mit einem Zeugen an der Seite ist es leichter, hinterher eine Falschberatung nachzuweisen. „Der Zeuge sollte sich selbst Notizen über das Gespräch machen“, rät Katja Fohrer. Die kann er später im Zweifel heranziehen.
Andreas Jalsovec
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