Wenn Papa nicht zahlt: Alleinerziehende müssen früher arbeiten

Alleinerziehende Mütter müssen früher Vollzeit arbeiten gehen: Geschiedene müssen ab dem siebten Geburtstag ihres Kindes einen Ganztags-Job annehmen. Geld vom Vater gibt es dann für sie nicht mehr.
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Patricia Freyermuth (41) sagt, ihre Kinder Frédéric und Julie blieben auf der Strecke, wenn sie Vollzeit arbeiten muss.
Gregor Feindt Patricia Freyermuth (41) sagt, ihre Kinder Frédéric und Julie blieben auf der Strecke, wenn sie Vollzeit arbeiten muss.

Alleinerziehende Mütter müssen früher Vollzeit arbeiten gehen: Geschiedene müssen ab dem siebten Geburtstag ihres Kindes einen Ganztags-Job annehmen. Geld vom Vater gibt es dann für sie nicht mehr.

Er geht arbeiten. Sie kümmert sich um die Kinder. Darauf hatten sich Patricia Freyermuth und ihr Mann geeinigt. „Er wollte das auch so“, sagt sie heute. Mittlerweile kommunizieren die beiden über ihre Anwälte. Ihre Ehe ist kaputt, Ende 2007 zog der Vater aus, seitdem kümmert sich Patricia Freyermuth (41) um Tochter Julie (10) und Sohn Frédéric (8).

Bald könnten sich die Geschiedenen vor Gericht treffen: Freyermuths Ex-Mann will ihr keinen Betreuungsunterhalt zahlen. Er zahlt lediglich den Unterhalt für seine Kinder. Obwohl Frau Freyermuth einen Teilzeit-Job hat, kommt sie ohne den Betreuungsunterhalt nicht über die Runden. „Wenn meine Eltern uns nicht unterstützen würden, hätte ich unsere Eigentumswohnung längst verkaufen müssen und wäre auf Sozialhilfe angewiesen“, sagt sie der AZ.

Der Vater von Julie und Frédéric beruft sich auf das neue Unterhaltsrecht. Das besagt: Seine Ex-Frau müsste ab dem dritten Lebensjahr des jüngsten Kindes Vollzeit arbeiten gehen. Eine Lücke gibt es: Der Unterhalt für die Mutter kann verlängert werden, „solange und soweit dies der Billigkeit entspricht“. Freyermuths Sohn kann sich schlecht Unterrichtsstoff merken, braucht nachmittags die Hilfe seiner Mutter bei den Hausaufgaben. „Wenn ich Vollzeit arbeiten gehen würde, bliebe Frédéric auf der Strecke“, sagt Freyermuth. Wer hat nun also Recht?

Gestern hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Grundsatzurteil gefällt. Die Kammer von Familienrichterin Meo-Micaela Hahne konkretisiert das neue Unterhaltsrecht, das seit dem 1. Januar 2008 gilt (siehe unten). Die AZ erklärt das Urteil und seine Folgen.

Was hat der BGH entschieden? Geschiedene müssen ab dem siebten Geburtstag ihres Kindes wieder einen Vollzeitjob annehmen.

Welcher Fall wurde vor Gericht verhandelt? Eine Berliner Studienrätin mit einem siebenjährigen Buben hatte den Vater auf Unterhalt verklagt. Die Frau unterrichtet mit einer 70-Prozent-Stelle, ihr Ex-Gatte forderte sie auf, eine Vollzeit-Stelle anzunehmen. Die Frau weigerte sich und begründete dies mit einer chronischen Asthma-Erkrankung ihres Kindes. Die Krankheit zweifelt der Vater an. Das Kammergericht Berlin hatte der Frau Recht gegeben und ihr rund 840 Euro Unterhalt zugesprochen. Der BGH hat dieses Urteil jetzt aufgehoben.

Können gesundheitliche Probleme des Kindes den Betreuungsunterhalt verlängern? Ja, und deshalb ist auch der Berliner Fall noch nicht abgeschlossen: Liegt nämlich wirklich eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Kindes vor, kann die Studienrätin ihre 70-Prozent-Stelle behalten und bekommt Unterhalt. Wenn nicht, muss sie Vollzeit arbeiten.

In welchen Fällen kann noch länger gezahlt werden? Wenn es keine Betreuung für die Kinder gibt, muss weiter Unterhalt für Mütter gezahlt werden.

Welche Auswirkungen hat das Urteil? „Den Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern gibt es nicht mehr“, sagt die Münchner Scheidungsanwältin Renate Maltry. „Wenn eine Tagespflege vorhanden ist, muss das Kind nach drei Jahren dorthin.“ Maltry sieht auch Probleme: „Weil es noch einige Ausnahmen gibt, muss jeder Einzelfall aufwändig geprüft werden. Das macht die Situation für Anwälte und die Gerichte nicht leichter.“

Volker ter Haseborg

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