Wenn der Detektiv kranke Mitarbeiter ausforscht

Bei der Drogeriemarkt-Kette Müller müssen Beschäftigte nach einer Krankmeldung einen Fragebogen ausfüllen. Das ist üblich und legal, sagt der Münchner Arbeitsrechtler Frank Achilles.
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Städtische Mitarbeiter melden sich weit häufiger Krank als der Arbeitnehmer-Durchschnitt.
abendzeitung Städtische Mitarbeiter melden sich weit häufiger Krank als der Arbeitnehmer-Durchschnitt.

Bei der Drogeriemarkt-Kette Müller müssen Beschäftigte nach einer Krankmeldung einen Fragebogen ausfüllen. Das ist üblich und legal, sagt der Münchner Arbeitsrechtler Frank Achilles.

AZ: Wie beurteilen Sie die Gespräche, die bei Müller mit Beschäftigten geführt werden, die krank gemeldet waren?

FRANK ACHILLES: Ich kann in der Sache keine Rechtsverstöße erkennen. Solche Krankenrückkehrgespräche sind nicht nur allgemeiner Usus, sondern rechtlich zulässig. Viele Arbeitgeber führen sie mit Einwilligung des Betriebsrates, zum Beispiel die Bahn. Denn natürlich darf man eines nicht vergessen: Krankheitskosten sind für die Unternehmer eine enorme finanzielle Belastung. Und viele Ärzte unterscheiden nicht zwischen „krank“ und „arbeitsunfähig“, das heißt, sie stellen ziemlich bereitwillig entsprechende Bescheide aus.

Aber was geht es denn den Arbeitgeber an, welche Krankheit genau seinen Beschäftigten plagt?

Gar nichts natürlich. Wenn der Arbeitgeber den Beschäftigten fragt, warum er krankgemeldet war, braucht der Beschäftigte darauf nicht zu antworten, ähnlich wie bei der Frage nach einer Schwangerschaft im Bewerbungsgespräch. Allerdings ist es schon im wohlverstandenen Interesse des Arbeitnehmers wie auch des Arbeitgebers, dass er erfährt, ob die Erkrankung im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Betrieb steht. Möglicherweise muss ja der Arbeitsplatz besser eingerichtet werden, um künftige Fehlzeiten zu vermeiden.

Warum sollte der Chef erfahren, ob der Mitarbeiter wegen der gleichen Krankheit schonmal gefehlt hat?

Schon allein wegen dem Entgeltfortzahlungsanspruch. Wenn der Beschäftigte wegen der gleichen Krankheit innerhalb von zwölf Monaten mehr als sechs Wochen fehlt, bekommt er kein Geld mehr vom Betrieb, sondern von seiner Krankenkasse. Das gilt sowohl für eine zusammenhängende Fehlzeit als auch für immer wiederkehrende Fehlzeiten bei einer gleichbleibenden Grunderkrankung – also beispielsweise bei Rückenschmerzen, die mal stärker, mal schwächer auftreten. Weil aus der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oft nicht hervorgeht, ob die Ursache die gleiche ist wie beim letzten Mal, ist schon nachzuvollziehen, wenn der Arbeitgeber danach fragt.

Wie oft darf ein Beschäftigter überhaupt im Betrieb fehlen, ohne die Kündigung wegen Krankheit zu riskieren?

Der Arbeitgeber darf krankheitsbedingt kündigen, wenn der Beschäftigte mindestens 18 Monate lang krank ist und keine Aussicht auf baldige Genesung besteht. Ein weiterer Kündigungsgrund wäre, dass der Beschäftigte immer wieder kurzzeitig krankgeschrieben ist und innerhalb von drei Jahren 20 Prozent der Arbeitszeit ausgefallen sind. Bei dieser Berechnung werden beispielsweise Knochenbrüche oder Fehltage wegen eines Arbeitsunfalls ausgenommen. 20 Prozent der Arbeitszeit – das sind über 40 Fehltage im Jahr! Der Arbeitnehmer ist also hinreichend geschützt.

Wie schnell muss ein Arbeitnehmer Bescheid geben, dass er nicht kommen kann?

Unverzüglich. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss am 4. Tag der Krankheit vorliegen, manche Arbeits- oder Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen sehen noch kürzere Fristen vor.

Muss der Beschäftigte im Bett bleiben, wenn er krankgeschrieben ist?

Kommt darauf an. Er darf sich nicht genesungswidrig verhalten. Aber es ist natürlich nachzuvollziehen, dass jemand mit einer Grippe einkaufen muss, damit der Kühlschrank zuhause gefüllt ist. Was anderes ist es, wenn sich jemand wegen eines Bandscheibenvorfalls krankschreiben lässt und dann bei Dachdeckerarbeiten gesehen wird. Das wäre mindestens eine genesungswidrige Tätigkeit.

Darf der Arbeitgeber einen Detektiv auf Mitarbeiter ansetzen, um Simulanten zu überführen?

Aber ja. Und das kommt gar nicht so selten vor.

Int.: sun

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