Weltöffentlichkeit kritisiert das Vorgehen Moskaus

LONDON/BERLIN - Überall in der Welt sind am Montag Forderungen nach der sofortigen Beendigung des Blutvergießens im Kaukasus erhoben worden. Zugleich wurde das Vorgehen der russischen Streitkräfte in Georgien vielfach als überzogen kritisiert. Trenner
Die USA drohten Moskau gar mit «ernsthaften Konsequenzen». In der bislang schärfsten politischen Reaktion eines Landes auf den Konflikt drohten US-Präsident George W. Bush und sein Stellvertreter Richard Cheney Russland mit Folgen. Moskaus Vorgehen in Georgien sei eine «überzogene Reaktion», sagte Bush in einem Interview des US-Fernsehsenders NBC. Cheney erklärte am Sonntag (Ortszeit): «Die russische Aggression darf nicht ohne Antwort bleiben.» Sollte die Gewalt andauern «wird dies ernsthafte Konsequenzen für die Beziehungen (Russlands) mit den Vereinigten Staaten haben».
Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangte, wie zahlreiche andere Regierungschefs, von beiden Konfliktgegnern die bedingungslose Einstellung ihrer Kriegshandlungen. Merkel hielt an einem seit längerem für Freitag geplanten Treffen mit Russlands Präsidenten Dmitri Medwedew im russischen Schwarzmeerort Sotschi fest, der unweit der Konfliktgebiete Georgiens liegt. Im Vorfeld des Treffens betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, für Deutschland sei die territoriale Integrität Georgiens unantastbar, wie der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg erklärte.
Der stellvertretende Nationale US-Sicherheitsberater James Jeffrey wollte einem Bericht der «Washington Post» zufolge nicht ausschließen, dass die USA Georgien auch militärisch zu Hilfe kommen. Vorläufig konzentrierten sich die USA aber darauf, «mit beiden Konfliktparteien, mit den Europäern und einer ganzen Reihe von internationalen Organisationen und Institutionen zusammenzuarbeiten, um die Kämpfe zu stoppen», sagte Jeffrey.
Die Europäische Union forderte Russland auf, «jegliche militärische Aktivität auf georgischem Territorium zu beenden». Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte in Brüssel: «Die jüngsten Entwicklungen, beispielsweise das Überschreiten der georgischen Grenzen durch russische Truppen, haben die Dimension des Konflikts verändert.»
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer ließ mitteilen, er sei «weiterhin äußerst besorgt über den unverhältnismäßigen Einsatz von Gewalt und den Mangel an Respekt für die territoriale Integrität Georgiens». Auf Antrag Georgiens tritt der NATO-Rat an diesem Dienstag in Brüssel zu einer Sondersitzung zusammen.
Sollte es durch das Vorgehen des russischen Militärs in Georgien zu einer weiteren Eskalation kommen, könne dies Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Russland und der Europäischen Union haben, sagte die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik in Wien. Sie unterstütze die Bemühungen Frankreichs, der EU und der OSZE, die Lage zu entspannen. «Die Richtung, in die es gehen muss, ist ganz klar: Verhinderung einer weiteren Eskalation, Respektierung der territorialen Integrität Georgiens entsprechend den UNO-Resolutionen und Rückkehr zum Zustand vor Ausbruch der jüngsten Kampfhandlungen.»
Derweil sprachen sich Polen, Litauen und die Ukraine für die Entsendung von Friedenstruppen der Europäischen Union in den Südkaukasus. Die zuvor in der Region stationierten russischen Friedenstruppen seien unglaubwürdig, sagte der stellvertretende Kanzlei-Chef des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, Piotr Kownacki, in Warschau. Polens Staatsoberhaupt habe den Vorschlag dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy in einem Telefongespräch vorgestellt. Die Präsidenten von Litauen und der Ukraine, Valdas Adamkus und Viktor Juschtschenko, hätten den Plan unter Mitarbeit Kaczynskis entworfen.
Großbritanniens Premierminister Gordon Brown ließ mitteilen, er setze telefonisch am Sonntag begonnenen «detaillierte Diskussionen» mit europäischen Regierungschefs und anderen hohen Politikern über Möglichkeiten zur Durchsetzung eines Waffenstillstands fort. Der britische Europa-Minister Jim Murphy erklärte, es sei «absolut bedauerlich, dass Russland jetzt sogar über Abchasien und Südossetien hinausgeht und Ziele nahe der georgischen Hauptstadt Tiflis bombardiert».
Unterdessen hat der georgische Präsident Michail Saakaschwili im Beisein von EU-Politikern in Tiflis eine einseitige Verpflichtung zur Waffenruhe unterzeichnet. Das meldete die russische Agentur Interfax aus Tiflis.