Weiter Zweifel an Erfolg eines NPD-Verbotsverfahrens
Berlin - Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) warnte in der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag) davor, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ein solches Verbot als unverhältnismäßig kippen könnte. Ähnlich äußerte sich Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) in der "Financial Times Deutschland" (Freitag).
Der FDP-Innenpolitiker Hartfrid Wolff kritisierte den geplanten Abzug der V-Leuten aus der Führungsspitze der rechtsextremen Partei, auf den sich die Innenminister der unionsgeführten Länder verständigt hatten. "Für die FDP-Fraktion kann ich sagen, dass wir über den Abzug der V-Leute extrem skeptisch sind", sagte Wolff der "Financial Times Deutschland". "Ich erwarte von den Innenministern ein Konzept, wie sie diese Überwachungslücke jetzt schließen wollen."
Bayern will die NPD auch während eines neuen Verbotsverfahrens weiter von V-Leuten beobachten lassen. Die Abschaltung der umstrittenen Informanten dürfe sich allein auf die Führungsebene der Partei beziehen, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag). "Eine Abschaltung aller V-Leute in der NPD wäre ein viel zu großes Sicherheitsrisiko."
Baden-Württemberg hat nach Angaben von Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) bereits alle V-Leute in der NPD-Führung abgeschaltet. "Wir werden einem erneuten Scheitern eines NPD-Verbots vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Anlass geben", sagte er der "Heilbronner Stimme" (Freitag).
Der CSU-Politiker Uhl hält einen erneuten Verbotsantrag in Karlsruhe nicht für zwingend geboten. "Man muss bedenken, dass es sicher ein zweites Verfahren beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geben wird." Im Schnitt erziele die NPD bei Wahlen in Deutschland aber nur ein Prozent. Er könne sich daher kaum vorstellen, dass der Menschenrechtsgerichtshof ein Verbot gelten lassen würde. "Die Partei spielt doch normalerweise nur eine Rolle, wenn wir ihr solche Verfahren gönnen", sagte Uhl.
Auch nach Ansicht Stahlknechts könnte der Menschenrechtsgerichtshof zu dem Schluss kommen, dass ein Verbot "unverhältnismäßig" sei. "Denn in anderen europäischen Ländern gibt es weit größere rechtsextreme Parteien", sagte er. "Ich sehe dies als Prozessrisiko. Das wird mit Sicherheit die Urteilfindung des Bundesverfassungsgerichts in einem möglichen NPD-Verbotsverfahren beeinflussen."
Dennoch werde niemand um ein zweites NPD-Verbotsverfahren herumkommen, "wenn fest steht, dass das gesammelte Material für ein Obsiegen im Prozess vor dem Verfassungsgericht reicht", sagte Stahlknecht. Er rechne damit, dass ein solches Verfahren "bis zu fünf Jahre" dauern wird.
2003 war ein erstes Verfahren wegen der V-Leute in der NPD-Führung vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert.