Weichenstellung für Milliarden-Geschäft mit Atom-Konzernen

Es geht nicht nur um sehr viel Geld, sondern auch um einen langen Zeitraum: Die Entsorgung der Atom-Altlasten. Der Staat will einen Entsorgungspakt mit den Energieriesen Vattenfall, Eon, RWE und EnBW schließen.
dpa |
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Berlin - Die Bundesregierung möchte einen Entsorgungspakt mit allen großen Energiekonzernen in Deutschland schließen. Die Verhandlungen mit Vattenfall, Eon, RWE und EnBW betreffen in erster Linie die Atom-Altlasten. Die Vorlage lieferte eine Kommission, jetzt folgt der Gesetzentwurf. Danach sollen die Konzerne bis 2022 - dann soll der letzte Atommeiler in Deutschland vom Netz gehen - gut 23,5 Milliarden Euro aus ihren Rücklagen samt Risikozuschlag an einen Staatsfonds überweisen. Der soll die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll managen, die Unternehmen können sich von der Haftung bis in alle Ewigkeit "freikaufen". Für Stilllegung, Rückbau und Verpackung des Atommülls bleiben die Konzerne verantwortlich:

Worum ging es der Regierungskommission?

Die Kommission unter Leitung von Jürgen Trittin (Grüne), Ole von Beust (CDU) und Matthias Platzeck (SPD) hatte Ende April Vorschläge zur Finanzierung des Atomausstiegs vorgelegt. Die Verursacher sollen sich nicht aus der Verantwortung stehlen können. Gleichzeitig sollen das "Überleben" der schwer angeschlagenen Energiekonzerne gesichert und Risiken für die Steuerzahler minimiert werden. 

Was kosten Stilllegung und Atommüll-Lagerung?

Die Kommission hatte Schätzungen von mindestens rund 48 Milliarden Euro unterstellt - berechnet zu Preisen von 2014. Ein Szenario kam bis 2099 auf mögliche Gesamtkosten - mit Inflation und steigenden Kosten - von fast 170 Milliarden Euro. 

Haben die Atomkonzerne dafür Vorsorge getroffen?

Ja. Sie haben sogenannte Rückstellungen gebildet. Zu dieser Absicherung sind sie verpflichtet. Bis Ende 2014 waren mehr als 38 Milliarden Euro für Abriss und Entsorgung zurückgestellt. Wegen der niedrigen Zinsen mussten die Unternehmen mehr beiseite legen - Ende 2015 knapp 40,1 Milliarden Euro. Die Milliarden liegen nicht auf Konten, sondern stecken in Anlagen. Laut Stresstest reicht das Polster. Aber: Wegen des Zinsrisikos könnten die Atom-Rückstellungen auf bis zu 70 Milliarden Euro steigen. Zeit zu handeln also.

Welchen Deal zwischen Staat und Konzernen soll es geben?

Mit dem Gesetz wird der Kommissionsvorschlag im Kern umgesetzt: Etwa die Hälfte der Rückstellungen sollen die Konzerne behalten, die damit Stilllegung und "unverzüglichen Rückbau" der Atommeiler bezahlen sowie für eine "endlagergerechte" Verpackung des Mülls sorgen. Dafür sollen 19,8 Milliarden Euro (Stand Ende 2014) bei den Konzernen verbleiben. Als Kosten dafür wurden von der Kommission Ende April rund 24 Milliarden Euro unterstellt.

Und die langfristige Zwischen- sowie Endlagerung des Atommülls?

Die Konzerne sollen ab Januar etwa 17,4 Milliarden Euro aus den Rückstellungen plus Risikoaufschlag von fast 6,2 Milliarden Euro an einen staatlichen "Entsorgungsfonds" bis zum Jahr 2022 zahlen - um so die Verantwortung für Zwischen- und Endlagerung abzugeben. Macht zusammen gut 23,55 Milliarden Euro aus. Das sah jedenfalls ein erster Gesetzentwurf vor. Der Grundbetrag stand aber bis kurz vor der Kabinettsentscheidung noch in einer eckigen Klammer, stand also noch nicht endgültig fest. Die bisherige Summe ist etwas höher als von der Kommission vorgeschlagen und niedriger als zuletzt erwartet. Unterm Strich wäre so ein großer Teil der Rückstellungen sicher - auch für den Fall, dass einer der Konzerne untergeht. Alles in allem würden die Konzerne wohl rund 47,5 Milliarden Euro schultern.

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Können sich die Konzerne freikaufen? Wieviel Zeit haben sie?

Von der Haftung freigestellt werden sie, wenn sie jeweils auch den Risikozuschlag von bisher 35,47 Prozent an den Fonds überweisen. Die Konzerne können den Aufschlag spätestens bis Ende 2022 nebst Zinsen entrichten. Auch eine Ratenzahlung ist möglich. Die letzte Rate ist spätestens Ende 2026 zu zahlen - und der jeweils ausstehende Betrag dann mit mindestens 4,58 Prozent pro Jahr zu verzinsen.

Warum wird das "Freikaufen" nicht teurer?

In der Tat basieren die Vorschläge der Kommission und damit die Finanzierungskosten auf Angaben aus dem Jahr 2014. Eigentlich müssten Zinsen und andere Kosten zu Buche schlagen. Offenbar aber werden den Konzernen Abzüge zugestanden. Berücksichtigt werden dem Vernehmen nach die von den AKW-Betreibern bereits aufgewendeten Kosten bei der Zwischen- und Endlagerung. Letztlich dürfte auch ein Rolle spielen, dass die Konzerne ihre Klagen fallen lassen.

Reichen die Fondsmittel aus - angesichts langfristiger Risiken?

Nur für den theoretischen Fall, dass jetzt das Endlager gebaut würde. Das wird aber erst ab 2050 der Fall sein. Zwischen- und Endlagerung dürften sich bis weit ins Jahr 2090 hinziehen. Der Fonds soll das Geld aber anlegen und "arbeiten" lassen, so dass der Betrag in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich steigt - so die Annahme.

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