Wegen Finanzkrise: Die Angst vor dem Aufruhr

54 Prozent der Deutschen rechnen mit sozialen Unruhen. DGB-Chef Sommer und Gesine Schwan werden heftig kritisiert und verteidigen ihre Warnungen: "Wer das Panikmache nennt, macht selbst Panik."
BERLIN „Gefährliche Panikmache“, „saudummes Gerede“: Heftig waren SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan und DGB-Chef Michael Sommer für ihre Warnungen vor sozialen Unruhen gerüffelt worden. Jetzt legt Sommer nach: „Nicht das Nennen von Problemen schürt Unruhe, sondern dass man Probleme nicht beseitigt“, sagte er bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Nürnberg. „Wir werden nicht zulassen, dass die Krise nicht aufgearbeitet wird.“
Auch Gesine Schwan verteidigte sich gegen Kritik. „Ich habe an keiner Stelle überzogen. Wer das Panikmache nennt, macht selbst Panik.“ Schwan war auch aus den eigenen Reihen angegriffen worden, am Schärfsten von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier. Kein Wunder: Ohnehin von schlechten Umfragewerten belastet, fürchtet er, Schwans Schwarzmalerei könnte auf ihn abfärben.
Die Debatte ist da - und wird weiter befeuert
Trotz aller Mahnungen, jetzt Ruhe zu bewahren: Die Debatte ist da und wird fröhlich weiter befeuert. Der Chef der Gewerkschaft Bau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, rief dazu auf, den 1. Mai zum „Tag der Abrechnung mit den Bankern“ zu machen. „Es geht um die zentrale Frage, wer am Ende zur Rechenschaft gezogen wird“, sagte Schmoldt. Es solle aber keine Krawalle geben.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg, warnte: „Schon am 1. Mai droht die Gewalt zu eskalieren. Wir rechnen mit heftigen Ausschreitungen.“ Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nannte diese Äußerungen „unverantwortlich“. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble: „Natürlich muss man die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Aber man sollte ihnen nicht so etwas unterstellen.“
Mehr als die Hälfte der Deutschen rechnet mit Unruhen
Tatsächlich rechnet aber die Mehrheit der Deutschen nach einer aktuellen Emnid-Umfrage mit sozialen Unruhen in Deutschland: 54 Prozent glauben, dass es zu Unruhen kommen könnte. In Ostdeutschland sind es sogar 61 Prozent. Fast jeder Dritte (32 Prozent) sagte, er würde sich an Demos beteiligen. 79 Prozent hätten immerhin Verständnis für Proteste. Gut ein Viertel der Deutschen (26 Prozent) sagte außerdem, sie hätten „große Angst“ vor der Zukunft.
„Die Menschen haben die geballte Faust in der Tasche“, sagt der Berliner Sozialwissenschaftler Peter Grottian. Doch dort werde sie „vorerst bleiben“. Die Finanzkrise mache Angst und lähme. „Die Politik tut alles dafür, die bestehenden Probleme in einen Wattebausch zu packen.“ Nach den Bundestagswahlen aber sei mit allem zu rechnen, sagt Grottian: „Dann geht es ans Portemonnaie der Bürger.“