Watschn für Dobrindt und Haderthauer

GERMERING Irgendwie hat Horst Seehofer selbst noch nicht so den richtigen Durchblick bei seinem Wahlkampf: „Ich bin jetzt jeden Abend in einem Bierzelt“, prahlt er am Samstag beim Parteitag seiner Oberbayern-CSU in Germering. „Das glaubt er halt“, heißt es entschuldigend in seiner Umgebung. Die CSU setzt im Endspurt längst nicht mehr auf einen Marathon unter weiß-blauen Zeltplanen.Denn seit dem Verlust der absoluten Mehrheit begann dort auch für sie der langsame Niedergang.
Ihr neues Rezept: Town Hall Meeting statt Bierzeltrede. Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel hat das schon getestet. Nach amerikanischem Vorbild ließ sie sich im letzten Wahlkampf von Bürgern löchern. Der Ministerpräsident macht’s jetzt nach als „Seehofer Direkt.“ An zehn Abenden sollen die Bürger bis zum 15. September den CSU-Chef unter Beschuss nehmen können. Am Montag fällt der Startschuss in der Stadthalle von Deggendorf. Erst gibt’s ein Filmchen über das schöne Bayernland der tollen CSU. Anschließend ein paar Worte von Seehofer.
Dann heißt’s Feuer frei für die Fragen den Bürger mit Livestream. Eingeladen wird über Facebook und Twitter. Wahlkampf modern. Das kommt auch Ilse Aigner entgegen. Im vergangenen September hat der CSU-Chef sie heim beordert. Im Landtagswahlkampf soll die 48-Jährige so viele Stimmen wie nur möglich im CSU-Problemgebiet Oberbayern zurückholen.
Hier war die Partei 2008 am brutalsten abgestürzt- und hat ein Drittel ihrer Stimmen verloren. Der direkte Kontakt mit den Bürgern ist auch Aigners große Stärke. Als Bierzeltrednerin dagegen hat sie selbst in der eigenen Partei das Prädikat: „Grottenschlecht.“ Dabei müssen die Schwarzen ausgerechnet in ihrem Stammland der Stammtische und der Mutter aller Bierzelte gerade schmerzhaft erfahren, dass sich ihre Lufthoheit in Luft auflöst.
Zwar sind manche Zelte gut gefüllt, wenn Seehofer kommt wie beim Volksfest in Fürstenfeldbruck oder kürzlich beim Gaufest der Trachtler in Trostberg. Garantiert aber ist das nicht mehr. Beim Josefibockfest vor der Brauerei des Klosters Reutberg musste der Ministerpräsident vor leeren Biertischen reden. Das Zelt war nicht mal zur Hälfte voll. Und das mitten im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, der Heimat von Edmund Stoiber, der seinem Spezl Horst wie kein anderer zur Seite steht. So was gab’s früher nur bei der SPD und den Liberalen.
„Die Wahl muss über Oberbayern laufen“, weiß man in der CSU. „Sonst läuft überhaupt nichts.“ Eine Herkulesaufgabe. Denn mitten im schwarzen Kernland liegt auch die Metropolregion München, auf die sich Seehofer-Herausforderer Christian Ude (SPD) stürzt. Dass die CSU-Oberbayern, der größte Bezirksverband der Partei, „die Lokomotive für ganz Bayern ist“, bläut Ilse Aigner am Samstag noch mal den 330 Delegierten in der gekühlten Stadthalle von Germering ein.
Die haben sie zuvor mit nur einer einzigen Gegenstimme wieder zu ihrer Vorsitzenden gekürt. „Oberbayern ist jetzt eine problemfreie Zone“, gibt sich Seehofer optimistisch. Auch wenn ausgerechnet sein Generalsekretär und Wahlkampf-Manager, Alexander Dobrindt, ein kleines Problem hat. Bei seiner Wahl zu Aigners Stellvertreter muss er sich mit nur 86,9 Prozent begnügen. Geschlossenheit sieht anders aus. „Alles im normalen Bereich“, wiegelt Seehofer ab. Noch schlechter schloss bei dieser Wahl Christine Haderthauer ab: Sie bekam nur 80,7Prozent – das sind aber immerhin noch zehn Prozentpunkte mehr als 2011.
Dafür verspricht „die Ilse“, wie der Parteichef sie nennt, dem „lieben Horst“, so umsäuselt sie ihn, seinen „Bayernplan“ auf ihr Nachtkästchen zu legen: „Ich hab’ ihn jeden Tag als Bettlektüre. Der ist praktisch fast wie eine Bibel, die man jeden Tag liest“. Und alles für ihn zu tun, damit er auch der „nächste Ministerpräsident Bayerns“ wird. Seehofer gibt sich siegesgewiss: „Wir werden einen goldenen September erleben.“