Was nun, Herr Seehofer?

Nach dem Parteitag kam eine bittere Woche für die CSU – Höhepunkt ist die längst nicht ausgestandene Affäre Strepp. Dobrindt fällt erst jetzt ein, dass er damit nichts zu tun hat
Angela Böhm |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
"Die aktuelle Situation ist nicht schön" für CSU-Chef Horst Seehofer und seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt.
dpa "Die aktuelle Situation ist nicht schön" für CSU-Chef Horst Seehofer und seinen Generalsekretär Alexander Dobrindt.

MÜNCHEN So schnell kann sich die Welt ändern: Auf ihrem Parteitag am Wochenende fühlte sich die CSU noch im siebten Himmel. Da ahnte noch keiner, dass das herrliche Hoch so schnell in ein brutales, eisiges Tief umschlagen würde – und die CSU abstürzt auf den beinharten Boden. Eine rabenschwarze Woche hat Horst Seehofer hinter sich. Erst das verheerende Urteil zu den Studiengebühren. Dann der erzwungene Rücktritt seines Sprechers, Michael Strepp, der beim ZDF die Berichterstattung über SPD-Spitzenkandidat Christian Ude verhindern wollte. Beides hat die CSU ins Mark getroffen. Ausgestanden ist noch nichts. Was nun, Herr Seehofer?

Freitag, der Tag danach: In der CSU herrschen Frust, Wut, Ärger, Enttäuschung. „Am schlimmsten aber ist das höhnische Gelächter der Opposition“, klagt ein CSU-Spitzenmann. „Das passiert halt, wenn man länger regiert als Fidel Castro“, macht sich in Berlin Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin über die CSU lustig.

Doch damit nicht genug. Irgendwie haben sich nun alle gegen Seehofer & Co. verschworen. Selbst der Koalitionspartner FDP fällt dem CSU-Chef in den Rücken und rührt in der Wunde. So wie es Seehofer sonst mit Vorliebe bei den Liberalen tut. „Eine lückenlose Aufklärung“, fordert Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger: „Der Vorwurf, ein Parteisprecher habe ein zwielichtiges Verhältnis zur Pressefreiheit gezeigt, wiegt schwer.“ Der Sachverhalt sei nach wie vor unklar. „Es muss alles aufgeklärt werden. Zweifel, dass eine Beschränkung der Pressefreiheit erfolgen sollte, dürfen nicht bleiben“, sa</MD>gt Leutheusser-Schnarrenberger, die zufällig auch die Chefin der Bayern-FDP ist.

„Da wird’s schlecht einen Untersuchungsausschuss im Landtag oder im Bundestag geben können“, giftet ein Seehofer-Vertrauter zurück. Dabei halten es selbst in der CSU viele für „völlig unwahrscheinlich“, dass Strepp seine Verhinderungs-Aktion aus eigenem Antrieb gestartet hat. Die war schließlich kein unüberlegter dummer Anruf, sondern, wie sich inzwischen herausstellte, eine Ganztags-Aktion mit vielen SMS. „Da steckte doch der Dobrindt dahinter?“, fragen sie sich auch in der Regierungspartei. Ihrem Generalsekretär trauen sie es zu. „Dobrindt büßt mit der Affäre weiter an Ansehen ein, wenn er überhaupt noch eines hat“, sagt einer aus der Führungsriege. Der habe mit seinem Krisenmanagement alles „verkorkst und vergeigt“. „Jetzt ist unser Schützenkönig ganz schön angeschossen“, lästert ein anderer CSU-Grande.

Dobrindt brauchte bis Freitagnachmittag, um zu erklären: „Ich habe keine Anweisung dazu gegeben – ein klares Nein. Ich hätte auch diesen Anruf nicht geduldet, sondern ihn untersagt, wenn ich vorab davon erfahren hätte.“

Horst Seehofer kocht vor Wut. Er weiß, bei diesem ZDF-Skandal sitzt auch er selber in der ersten Reihe. Es geht um sein Zentrum der Macht. Dobrindt und bisher Strepp sind seine engsten Mitarbeiter.

Selbst seine Fraktion hat ihn am Donnerstag im Landtag im Regen stehen lassen. Als die Opposition Seehofer mit Spott und Hohn übergoss und einen ihrer schärfsten Angriffe auf ihn richtete, blieb der CSU-Fraktionschef wie paralysiert auf seinem Sessel kleben. Er schickte nur seinen Mediensprecher Eberhard Sinner zur Verteidigung vor. Ausgerechnet ihn, den 67-jährigen Ex-Staatskanzleichef, den Seehofer aus seinem Kabinett gemeiert hat, weil er ihm zu alt war.

In der CSU fürchtet man, diese „Unglückswoche“ könnte die schönen Umfragen wieder um ein bis zwei Prozent trüben. Pessimisten orakeln sogar von drei Prozent.

So viel Schwäche kommt den Liberalen gerade recht. Deshalb stichelt Leutheusser-Schnarrenberger weiter. In der Koalition wird um die Studiengebühren gestritten. Seehofer will sie vom Tisch haben, aus Angst vor dem Volksbegehren. Die FDP will sich ihre Zustimmung teuer abkaufen lassen. Ihr Preis: die Freigabe des Ladenschlusses. Das Thema ist ein „Trauma“ für die CSU, wo sich die Fraktion schonmal in 51:51 spaltete.

So hatte sich die CSU-Fraktion ihren Betriebsausflug, zu dem sie am Freitagnachmittag nach Lissabon am Franz-Josef-Strauß-Flughafen startete, nicht vorgestellt. Seehofer kommt am Sonntag nach. „Da muss jetzt der Mannschaftsgeist wieder aufgebaut und die Moral der Truppe gestärkt werden“, heißt es betroffen. Aber wenigstens herrsche in Lissabon „mildes Klima“. Ein Mitglied der CSU-Spitze meinte gar flehentlich: „Wir müssen jetzt wieder nach der Sonne schauen.“ Selbst Dobrindt räumt ein: „Die aktuelle Situation ist nicht schön.“

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.