Was hat der bloß, was andere nicht haben?

„Der Sieg des Soliden über den Schein”: Wie hat der sperrige Scholzomat das geschafft? Und was kann man von ihm lernen? Ein AZ-Check
von  tan

BERLIN Olaf Scholz? Der sperrige Olaf Scholz, der so trocken sein kann, dass sie ihm den Spitznamen Scholzomat verpasst haben? Der in Guttenberg-Posen mit verspiegelter Sonnenbrille wohl vor allem uncool aussehen würde? Ausgerechnet der hat diesen haushohen Sieg eingefahren? In Berlin reiben sie sich verwundert die Augen über den neuen Politstar, und – nicht nur – in der SPD fragt man sich, was man sich abgucken oder von ihm lernen kann.



Was hat er, was andere nicht haben? „Der Sieg des Soliden über den Schein”, schreibt der Vorwärts über Scholz – und sieht vor allem den Kontrast zum derzeit angeschlagenen CSU-Überflieger Karl-Theodor zu Gutttenberg: der Anti-Guttenberg. Als „blass und langweilig” sei Scholz verhöhnt worden, aber, so das SPD-Organ voller Genugtuung: „Das Volk weiß sehr wohl zwischen Blendern und Machern zu unterscheiden.” In der Tat belegen Wähleranalysen, dass genau seine Nüchternheit als Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit interpretiert wurde. Klarheit, eine gewisse Demut, nicht zu viel Geschwätz. Seine Erfolgsfaktoren: ein Macher-Image – als Arbeitsminister der großen Koalition hat er Deutschland erfolgreich aus der Krise geführt. Steherqualitäten: Immer wieder wurde er geprügelt, zum Beispiel als SPD-General für Hartz IV, immer wieder kam er zurück. Und, in diesem Fall: ein denkbar schwacher Gegner.



Was sagen die Hamburger über ihr Rezept? „Wir sind zehn Jahre durch ein Tal der Tränen gegangen. Am Anfang haben wir gedacht, das war ein Unfall, dass wir abgewählt worden sind. War es nicht. Es lag an uns”, sagt SPD-Mann Arik Willner. Daraus habe man gelernt. Die Abkling- und Besinnungszeit in der Opposition dauere im Bund ja erst ein Jahr, sagt Johannes Kahrs. Die Empfehlung aller Hamburger Genossen: wieder zuhören lernen und auf die Mitte besinnen. So sieht es auch der Berliner SPD-Regent Klaus Wowereit: „Er hat gezeigt, dass Wirtschafts- und Sozialpolitik keine Gegensätze sind.”


Was können sich andere abschauen? Von Scholz lernen heißt siegen lernen – darüber denkt nun auch die SPD nach. Aber nicht alles lässt sich kopieren. Die AZ zieht den Vergleich, mit Parteichef Gabriel und den Spitzenkandidaten der drei Wahlen im März.

- Sigmar Gabriel: Von der Statur noch unguttenbergischer – ein Garant für Erfolg ist das freilich nicht. Denn an Scholzens Solidität und Klarheit mangelt es dem sprunghaften SPD-Chef: Er versucht so sehr, es allen Parteiflügeln recht zu machen, dass man so recht nicht weiß, wofür er steht.

- Jens Bullerjahn (Sachsen-Anhalt): Als blass und langweilig wird auch er verspottet – ihm fehlt aber das Macherhafte von Scholz. Er ist in den Umfragen Nr. 3, und er macht nicht den Eindruck, als ob ihn das stören würde – sondern wirbt dafür, Junior in der großen Koalition zu bleiben.

- Nils Schmid (Baden-Württemberg): Ein freundlicher junger Mann, der mit 37 auch für 27 durchgehen würde. Hat sich den Grünen schon als Junior angeboten Findet Populismus wie Scholz doof und ist lieber ehrlich – aber noch ein bisschen zu schüchtern.

- Kurt Beck (Rheinland-Pfalz): Tapsiger als Scholz, aber als Platzhirsch mit guten Chancen – zumal auch seine Gegenkandidatin Julia Klöckner angesichts einer Finanzaffäre schwächelt.


Und was sagt der Experte? Für Politikberater Michael Spreng ist die Sache klar: „Er war die Antwort für Hamburg – nach Ole von Beust, der beliebt war, aber unbeständig und flatterhaft.“ Genau das Ruhige, Verlässliche habe als Kontrastprogramm funktioniert. Spreng zur AZ: „Er löst keine Begeisterungsstürme aus, aber Vertrauen.“ Einen Gegen-Gutti sieht er nicht, aber einen gewissen Trend: „Dieses Uncharismatische, aber Ruhige, Besonnene hat zum Beispiel auch Innenminister Thomas de Maizière. Auch der wird in der Beliebtheit noch steigen“, prophezeiht Spreng. „Das ist genau diese Sehnsucht nach dem Soliden.“ Die SPD könne von Scholz viel lernen: „Die Wirtschaftspolitik wiederentdecken. Wichtiger als Hartz IV ist es, Arbeitsplätze zu schaffen und zu erhalten.“

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