Was haben sie (nicht) erreicht?
Berlin - Drei Mal zum Mond und zurück. Das ist die Entfernung, die Frank-Walter Steinmeier in seinen sieben Jahren als Außenminister zurückgelegt hat. Gestern ist der über parteigrenzen hinweg hoch angesehene SPD-Politiker im Bundestag mit Applaus verabschiedet worden.
Steinmeier, der Vermittler
Doch was bleibt von ihm? Die Arbeit als oberster Diplomat lässt sich nur schwer bewerten. Befürworter loben Steinmeiers unermüdlichen Einsatz als Vermittler. Kritiker werfen ihm gelegentlich vor, gegenüber autoritären Herrscher nicht hartnäckig genug gewesen zu sein. Ein Überblick über seine wichtigsten Reisen:
PARIS, FRANKREICH: Hier fing alles an. Am 23. November 2005, brach Steinmeier mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel zum engsten Verbündeten auf. Seitdem war er immer wieder dort, alleine in dieser Legislaturperiode 34 Mal. Auch als Abschiedsreise suchte er sich Paris aus. Die deutsch-französische Freundschaft als Motor Europas war für Steinmeier ein zentraler Pfeiler seiner Außenpolitik. In der Ukraine-Krise vermittelte er zusammen mit seinen französischen Kollegen.
In Paris erlebte Steinmeier aber auch einen der bittersten Momente seiner Amtszeit. Am 13. November 2015 saß er beim Länderspiel Frankreich gegen Deutschland neben Präsident François Hollande auf der Tribüne, als vor den Toren des Stade de France und in einem Vergnügungsviertel die Terrormiliz IS losschlug.
Februar 2014: Der dramatischste Momente seiner Amtszeit
KIEW, UKRAINE: Die dramatischsten Momente seiner Amtszeit erlebte Steinmeier im Februar 2014 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, auf dem Höhepunkt der Unruhen gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Allein am Tag seiner Ankunft starben auf dem Maidan-Platz 60 Menschen. Steinmeiers Kriseneinsatz war erfolgreich, allerdings nur für kurze Zeit. Janukowitsch machte sich wenig später aus dem Staub, Russland vereinnahmte die Krim, in der Ost-Ukraine brach ein Bürgerkrieg aus. Steinmeier vermittelte weiter, die Ukraine-Krise wurde zum zentralen Thema seiner zweiten Amtszeit. Der Erfolg ist mäßig. Der Friedensprozess in der Ukraine kommt nicht voran. Trotzdem hält Steinmeier ihn weiterhin für alternativlos.
TEHERAN, IRAN: „In der Diplomatie, anders als im echten Leben, ist Penetranz eine Tugend“, heißt es in Steinmeiers Bilanz-Buch „Flugschreiber“. Den Beweis dafür haben die Verhandlungen über das iranische Atom- Programm geliefert. Mehr als zwei Jahrzehnte haben sie gedauert. Steinmeier war im Juni 2015 dabei, als sie in Wien zum Abschluss gebracht wurden. Für ihn ist es das beste Beispiel, dass sich die Mühen der Diplomatie lohnen. Seit dem Verhandlungserfolg war Steinmeier bereits zwei Mal in Teheran. DAMASKUS, SYRIEN
Steinmeiers Besuch 2006 in Damaskus war hoch umstritten. Dennoch verteidigt er bis heute den Versuch, mit Assad ins Gespräch zu kommen. Er glaubt, dass man damals eine Chance verpasst hat.
JERUSALEM, ISRAEL: Drei Mal zum Mond und zurück. Das ist die Entfernung, die Frank-Walter Steinmeier in seinen sieben Jahren als Außenminister zurückgelegt hat. Gestern ist der über parteigrenzen hinweg hoch angesehene SPD-Politiker im Bundestag mit Applaus verabschiedet worden.
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Bei den meisten seiner etlichen Reisen in das „gelobte Land“ ging es um Lösungen im Dauerkonflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Das Ergebnis ist niederschmetternd: Heute scheint die vom Westen angestrebte Zwei-Staaten-Lösung weiter entfernt denn je. Der Konflikt könnte eskalieren, wenn Donald Trump die US- Botschaft tatsächlich nach Jerusalem verlegen sollte.
HAVANNA, KUBA: Während Europa aufgrund der Spannungen zwischen der Nato und Russland einen „neuen Kalten Krieg“ fürchtet, hat sich woanders die letzte Frontlinie des „alten Kalten Krieges“ aufgelöst: zwischen Kuba und den USA. Steinmeier wurde so im Juli 2015 die erste Reise eines bundesdeutschen Außenministers nach Havanna ermöglicht. „Wir wollen jetzt die Phase der Sprachlosigkeit überwinden“, sagte er dort.
Gabriel, der Unvollendete
Norbert Lammert ergreift das Wort. Der Bundestagspräsident blickt Richtung Regierungsbank. Dort sitzt Sigmar Gabriel. „Das kann ihnen nicht ganz leicht gefallen sein“, sagt der CDU-Mann und gratuliert dem zurückgetretenen SPD-Chef zur „Souveränität“ seiner Entscheidung. Die Abgeordneten klatschen.
Gabriel zeigt Gefühle. „Ich geb’ zu, dass mich das eben berührt hat.“ Er spüre eine gewisse Erlösung. Dann schreitet der 57-Jährige selbst ans Rednerpult des Bundestages. Es ist seine letzte Ansprache im Plenum als Wirtschaftsminister. Am heutigen Freitag wird er ins Auswärtige Amt wechseln und Frank- Walter Steinmeier beerben.
In seinem letzten Jahresbericht als Wirtschaftsminister sagt Gabriel einen Jobrekord voraus. Die Zahl der Erwerbstätigen werde sich um 320 000 auf mehr als 43,8 Millionen Menschen erhöhen. Die Wirtschaft werde 2017 um 1,4 Prozent zulegen. Dennoch warnt er vor Selbstzufriedenheit. Weil klar sei, dass das nicht zwangsläufig so bleibe. „Und wir wissen, dass nicht alle Menschen in Deutschland davon profitieren. Gott sei Dank endlich mehr, aber bei weitem nicht alle.“ Zum Schluss ruft er den Abgeordneten zu: „Viel Erfolg! Das waren gute Jahre im Wirtschaftsministerium.“ Doch waren es wirklich gute Jahre unter ihm? Eine Bilanz:
ARBEITSMARKT: Statistiken belegen: Gabriel hier offenbar einen guten Job gemacht. Die Zahl der Erwerbstätigen hat sich auf insgesamt 43,5 Millionen erhöht, das sind 1,5 Millionen mehr als 2013. Die Löhne sind im Schnitt gestiegen, die Arbeitslosigkeit ist gesunken.
ENERGIEWENDE: Bei der Baustelle Energiewende ist Gabriel kaum vorangekommen. Zwar ist der Streit um die Stromnetze (weitgehend) beigelegt und die Atommüllentsorgung (durch einen umstrittenen milliardenschweren Fonds) geregelt. Doch den von ihm angekündigten Ausstieg aus der umweltschädlichen Kohlekraft hat er nicht vollzogen. Und der Rechnungshof hat dem scheidenden Wirtschaftsminister jüngst vorgeworfen, keinen Überblick über die finanziellen Auswirkungen der Energiewende zu haben.
Waffenexporte stiegen immer weiter
WAFFENEXPORTE: Gabriel war mit dem Versprechen angetreten, die Waffenausfuhren deutlich zu senken. Doch seine Rüstungsberichte waren ein regelmäßiges Ärgernis. Alle halbe Jahre wieder musste er Zahlen vorlegen. Und meist war der Wert der exportierten Waffen dann wieder gestiegen. Aber immerhin: In seinem letzten Bericht konnte er sinkende Zahlen präsentieren. So wurden 2016 Genehmigungen für den Export von Rüstungen in Höhe von 6,88 Milliarden Euro erteilt – das ist eine Milliarde weniger als 2015.
KAISER'S TENGELMANN: Im Ringen um die Supermarkkette rettete der Wirtschaftsminister mit seiner Ministererlaubnis letztlich wohl Tausende Jobs. Doch hängen blieb vor allem das Gezerre zwischen Rewe, Edeka und Gabriel.
CETA UND TTIP: Den Freihandelspakt Ceta zwischen Kanada und der EU rettete Gabriel – auch gegen Kritik aus der SPD. Beim umstrittenen Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA hingegen sorgte er für Krach mit Union und Wirtschaft. Grund war eine Aussage, in der er TTIP für „de facto gescheitert“ erklärte.
MINDESTLOHN: Gewerkschaften sehen den Mindestlohn als Erfolg an. Statistiken belegen das. Verständlich, dass Gabriel das auf seiner Habenseite verbucht. Federführend dafür zuständig war allerdings seine Partei-Kollegin und Arbeitsministerin Andrea Nahles.