Was gibt’s da zu lachen?! Von der Lust an der Krise
Die Börse bricht ein, die Automobilindustrie auch, nichts scheint mehr sicher zu sein, nicht das Geld auf dem Konto, nicht der Job. Aber: Liegt in der Depression auch eine Chance? Lachen ist weiterhin erlaubt, finden die vier Kabarettisten Eckart von Hirschhausen, Ecco Meineke, Andreas Giebel und Claus von Wagner.
Eckart von Hirschhausen: Werfen Sie Geld auf die Straße
„Der Glaube an das unbegrenzte Wachstum ist zerstört. Endlich! Jeder Arzt weiß: Wenn etwas im Körper unbegrenzt wächst, hat das einen Namen: Krebs! Und das kann auf Dauer nicht gut gehen. Die Krise hat also ihr Gutes, der Zerfall der Werte an den Börsen könnte zu einer Rückbesinnung auf andere Werte führen. Meine Großmutter, die im Krieg alles verlor, sagte: „Bildung ist das, was dir übrig bleibt, wenn alles andere weg ist!“ Und dann zeigen sich auch die wahren Freunde. In Kopf, Herz und soziale Netzwerke zu investieren ist die einzige dauerhafte Anlage. Und fürs Alter? Kinder! Was ist der Unterschied zwischen einem Mann mit sieben Millionen Euro auf dem Konto und einem Mann mit sieben Kindern? Der mit den Millionen will weitere...
Es gibt beim Geld kein Gefühl der Sättigung. Geld verdirbt nicht den Charakter – es macht ihn nur deutlich. Reich ist, wer weiß, dass er genug hat. Ein Tipp: Verschenken Sie heute etwas an jemanden, der damit nicht rechnet - sie werden sich danach reicher fühlen! Oder werfen Sie eine Münze auf die Straße. Das macht Sie nicht arm, und wer sie findet, freut sich den ganzen Tag. So schaffen Sie einen positiven Wert, indem Sie Geld wegwerfen. Erklären Sie das mal einem Controller!“
Ecco Meineke: Danke, mein Rettungspaket ist da
„Heute morgen kam er endlich, der Geldbote. ,Herr Meineke?’ - ,Das bin ich, ja.’ - ,Hier Ihr Rettungspaket. 100 Milliarden Euro. Wollen Sie’s in kleinen Scheinen?’ - ,Ach, egal. Ich geb’s eh gleich aus.’ - ,Gut. Wenn Sie dann bitte hier noch quittieren möchten.’ Puh. Wurde auch Zeit. Wusste eh nicht, wie ich die Gasrechnung bezahlen solle. Denk ich an die Finanzkrise, fallen mir all jene Hollywood-Filme ein, in denen wahlweise ein böser Maharadscha oder ein böser Kapitän der königlichen Marine den armen, wehrlosen Filmhelden aus völlig nichtigem Anlass auspeitschen lässt. Der Moment am Ende des Films, in dem diese unmoralischen Hundsfötte ihre Quittung bekommen, konnte kathartischer nicht sein! So auch heute: Welcome to the Happy End!
Der Kapitalismus sorgt sich stets nur um kurzfristige Renditen für eine Minderheit der Gesellschaft: Maharadschas und böse Kapitäne. Wer hätte gedacht, dass die Bagage von selbst in jene Haifischbecken stolpert, die sie für alle anderen angelegt hatte? Die goldene Zeit, sie ist angebrochen! Das Kabarett wird nicht mehr gebraucht. Wir können uns wieder anständige Jobs suchen: Lobgesänge und Liebeslieder dichten statt immer nur Schmähschriften und gallige Satiren. Banken, die stets fremdes Geld verspielt haben. Autokonzerne, die wider besseres Wissen luftverpestende Autos bauten. Energiegiganten, die es nicht lassen konnten, fossile Brennstoffe zu plündern und zu verfeuern und nun, wo die Quellen versiegen, nochmal ihre atomaren Ladenhüter durchsetzen wollten. Luft- und Raumfahrtkonzerne, die Krisenherde provozieren, um mal wieder ihre Waffen zu testen...All das gehört jetzt der Vergangenheit an. Feiern wir die Zeit. Die Reichtümer werden wieder gerecht verteilt, und vielleicht steht schon morgen früh der Geldbote auch vor Ihrer Tür!“
Meineke steht mit seinen Kollegen der Lach- und Schieß mit „Last Minute“ auf der Bühne
Andreas Giebel: Hallo, setzen wir uns ins Kaffehaus?
Andreas Giebel: „Die Rezession ist da, die Fußgängerzone voll. Alle kaufen ein. Es läuft. Es ist ein abstrakter Effekt. Real für uns Normalbürger wären leere Regale. Die sind aber voll. Wer jetzt gerade keine Angst hat, entlassen zu werden, und nichts mit Aktien am Hut hat, der kauft erst mal ein. Vielleicht sogar mehr als sonst. Wer weiß, wie lange das noch geht. Aber was sollen wir tun, wenn das Materielle tatsächlich in den Hintergrund tritt? Wenn wir uns nicht mit ,Warenwerten’ beschäftigen, sondern mit wahren Werten. Dann laufen die Menschen durch die Stadt, nicht um einzukaufen, sondern um sich kennenzulernen. Eine kollektive Sehnsucht der Neugierde bricht aus. Man schaut sich in die Augen. Wie heißt du, komm, wir setzen uns in ein Kaffeehaus, ich zeichne dich, und du schreibst in der Zeit auf, wie du mich einschätzt. Und danach umgekehrt. Verrückte Dinge tun. Miteinander.
Natürlich ist das schwierig. Es gibt Schnorrer, Idioten, Gestörte, Trittbrettfahrer, unverbesserliche Schacherer, für die das Leben ein einziges Handeln ist, notgeile Dumpfdeppen, religiöse Fanatiker und, und, und. Aber es gibt auch die anderen. Die einfach nur leben wollen, die neugierig sind auf Dinge, die nichts mit Geld und Gier zu tun haben. Viele sind enttäuscht, haben sich innerlich zurückgezogen. Und dann kommen wir daher. Vom Club der ,Wir-wissen-es-auch-nicht-besser’ und sagen Hallo oder Prost, darf ich Ihnen mein Lieblingsbuch schenken, dafür lade ich Sie auf eine Flasche Wein ein, gerne, was lesen Sie gerade? So oder anders. Es klingt banal, aber wir alle sehnen uns nach Freundschaft, Liebe, Anerkennung. Und ohne Utopien passiert gar nichts. Hanns Dieter Hüsch sagte einmal: ,Zusammen, das ist das Glück!’ In diesem Sinne: Prost!“
Andreas Giebel ist mit „Im Sammelbecken der Leidenschaft“ am 26.12. im Lustspielhaus.
Claus von Wagner: Jawoll, endlich dagegen sein
Kaberettist Claus von Wagner: „Lustig. Bankinstitute ketten am Schalter ihre Kugelschreiber fest. Sind dann aber nicht in der Lage, die gleiche Sorgfalt auf ihr eigenes Geld zu verwenden. Gleichwohl, was Unterhaltsameres als diese Finanzkrise hätte uns gar nicht passieren können. Endlich kann meine Generation wieder GEGEN etwas sein! Bisher ist es uns Wohlstandskindern schwer gefallen, dem Kapitalismus eine Alternative entgegenzusetzen. Der Kommunismus, so hatte man uns versichert, sei an Alterszucker verstorben. Und zum Protestieren braucht man Alternativen: Krieg. Frieden. Leben. Tod. Nicht, ob der Spitzensteuersatz bei 30% oder 32%... Wir haben lange versucht, das zu überspielen: Meine Generation erkannte man an Plakaten, auf denen stand: „Mehr Sonntage!“ Das war Ironie. Mehr hatten wir nicht. Denn von Wirtschaft hatten wir in etwa so viel Ahnung wie vom Liebesleben unserer Großeltern. Für uns war der Dax noch ein Waldbewohner! Aber dank der Finanzkrise können wir jetzt die Sau rauslassen! Wir können wieder wütende Plakate malen. Wir können fordern, dass jeder, der noch einmal den Satz sagt: „Lassen Sie doch Ihr Geld für sich arbeiten“ des Landes verwiesen wird!
Ich weiß, dann haben wir keine Bankkaufmänner und -frauen mehr. Darum geht’s ja! Und jedem einzelnen können wir dann erklären, dass Geld nicht arbeitet. Genauso wenig wie Buchstaben. Oder kennen Sie irgendjemanden, der Buchstaben auf einer Festplatte speichert und wartet, bis ein Buch draus wird? Ja, bis auf Eva Herman... Kinder, das wird aufregend! Wir können gegen die sein, die das Ganze angerichtet haben. Wir können gegen die sein, die dafür verantwortlich waren, dass die, die das Ganze angerichtet haben, es überhaupt anrichten konnten. Jawoll! Jetzt muss uns nur noch jemand sagen, wer das eigentlich war.
Claus von Wagner ist am 24.11. mit „Im Feld“ in der Lach- und Schieß.
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