Warum stellt sich Robert Habeck nicht mehr hinter Annalena Baerbock?

Tauschen die Grünen ihre Kandidatin für die Kanzlerschaft doch aus? Während Laschet schweigt, jubelt die SPD.
von  Bernhard Junginger
Er will wohl nicht für sie in die Bresche springen: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck.
Er will wohl nicht für sie in die Bresche springen: Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock mit ihrem Co-Vorsitzenden Robert Habeck. © picture alliance/dpa

Berlin - Mit ihrem Buch wollte Annalena Baerbock den Bundestagswahlkampf aufmischen. Das ist der Grünen-Kanzlerkandidatin auch gelungen - allerdings völlig anders, als sie es sich vorgestellt hat.

Robert Habeck, neuer Kanzlerkandidat der Grünen? Wohl nicht

Nachdem sich um das Werk eine Plagiatsaffäre entsponnen hat, hält sich seit Tagen die Frage: Tauscht ihre Partei Baerbock doch noch gegen Robert Habeck aus? Schließlich scheint die Union mit Armin Laschet (CDU) an der Spitze kaum mehr einzuholen zu sein. Wenn der Abwärtstrend anhält, könnte es für die Grünen sogar im Kampf um Platz Zwei eng werden. 

Für die Sozialdemokraten um Olaf Scholz ist die Plagiatsaffäre ein unerwartetes Geschenk. Sie wittern nun die Chance, endlich aus ihrem Umfragetief herauszukommen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der AZ: "Während Laschet sich versteckt und die Grünen einen Fehler nach dem nächsten machen, sind wir mit Olaf Scholz im Land unterwegs und im Gespräch mit den Menschen."

Baerbock verabschiedet sich in den Urlaub

Vom Grünen-Spitzenpersonal ist dagegen derzeit wenig zu hören. Baerbock hat sich in den Sommerurlaub verabschiedet, nachdem sie zuvor die Vorwürfe, sie habe etliche Passagen ihres Buchs abgeschrieben, lächelnd dementierte. Auffällig geschwiegen hat dagegen Habeck. Wie es in Parteikreisen heißt, liege das aber nicht daran, dass er nun auf seine Chance lauere. Er selbst und alle jene, die ihn von Anfang an für den besseren Spitzenkandidaten gehalten haben, wüssten, dass es jetzt zu spät ist für eine Kehrtwende. Eine Kampagne lasse sich nicht einfach knapp drei Monate vor der Wahl auf ein neues Gesicht ummünzen.

Bundesgeschäftsführer Michael Kellner stellte klar, dass ein solcher Schritt keinesfalls geplant sei. Im Umfeld von Habeck heißt es, dass dies nicht bloß eine Durchhalteparole sei. Obwohl Habeck nach eigenem Bekunden einen Lebenstraum begraben musste, als Baerbock nach der Kanzlerkandidatur griff, sei er nun nicht bereit, in die Bresche zu springen.

Habeck könnte auch beschädigt werden

Habeck bliebe die undankbare Aufgabe, den von Baerbock in den Dreck gefahrenen Karren wieder herauszuziehen. Gelänge ihm dieses Wunder nicht, wäre auch er beschädigt, heißt es weiter. Stelle er sich dagegen nun im Wahlkampf-Endspurt brav hinter Baerbock, wahre er nicht nur die Chance, in einer möglichen schwarz-grünen Bundesregierung Finanzminister zu werden.

Dass Baerbock von selbst ihre Kandidatur zurückzieht, glaubt fast niemand in Grünen-Spitzenzirkeln. Dazu drängen werde sie niemand, am allerwenigsten Habeck. Die intern ausgegebene Strategie lautet etwa: Eisern festhalten an Baerbock, die Vorwürfe zurückweisen und relativieren, aber nicht mehr so aufgebracht wie teils bisher geschehen.

Zum ersten Mal seit März sind die Grünen in einer Forsa-Umfrage wieder unter 20 Prozent der Wählergunst gefallen. 19 Prozent würden aktuell die Grünen wählen, die Union dagegen 30 Prozent. Dabei hatten sich die Grünen zeitweise in Schlagweite der Union bewegt, etwa als Laschet noch mit Markus Söder (CSU) um die Spitzenkandidatur rang. In der Partei sagt man nun, die Umfragewerte seien eben nicht im freien Fall, sondern trotz der Affäre noch immer so hoch, wie es die Grünen vor Kurzem kaum zu träumen gewagt hätten.

Der Wunsch nach politischer Veränderung

Die Grünen-Haushaltspolitikerin Ekin Deligöz aus Neu-Ulm macht gerade Wahlkampf in ihrer Heimat. Der AZ sagt sie: "Unterwegs in Bayern spüre ich jeden Tag den Wunsch nach politischer Veränderung. Die Klimakrise beschäftigt die Unternehmen und Betriebsräte. Eltern und Jugendliche wollen wissen, wie es im Herbst mit der Schule weitergeht. Sozialverbände rufen nach Zusammenhalt und Gerechtigkeit." Deligöz hat festgestellt: "Dort sind die derzeitigen Berliner Debatten sehr weit weg- aber unser Wahlprogramm und die inhaltliche Auseinandersetzung sehr präsent."

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