Warten auf die Katastrophe

Fünf Tage lang waren die Menschen in den überschwemmten Gebieten von Birma sich selbst überlassen. Jetzt gelangen Hilfsgüter nur zögerlich in das Land, die Angst vor Seuchen und Aufständen steigt.
von  Abendzeitung

RANGUN - Fünf Tage lang waren die Menschen in den überschwemmten Gebieten von Birma sich selbst überlassen. Jetzt gelangen Hilfsgüter nur zögerlich in das Land, die Angst vor Seuchen und Aufständen steigt.

Am Donnerstag hat die Militärregierung endlich erste internationale Hilfsorganisationen ins Land gelassen – doch nur drei Flugzeuge des Welternährungsprogramms bekamen letztendlich eine Landeerlaubnis.

Weiterhin weigert sich das Regime ausländische Helfer, etwa von der Uno, ins Land zu lassen. „Eine bedeutende Zahl wichtiger Mitarbeiter hat ihre Visa noch nicht“, sagte ein Uno-Sprecher. Hilfspakete im Wert von Millionen Dollar sind bereitgestellt, doch hängen sie an der Grenze zu Birma fest.

Auch Spender zögerlich

Auch liefern viele Spender laut Amnesty International nur zögerlich, weil sie fürchten, die Güter könnten an die Militärs statt an die Opfer gehen. Das Rote Kreuz brachte gestern eine kleine Ladung mit Planen und Seilen auf den Weg. Weitere Lieferungen könnten folgen, sollte die Verteilung wie versprochen dem Roten Kreuz überlassen bleiben.

Ein Konvoi des Welternährungsprogramms kam in Rangun dafür nicht los – aus Furcht vor den Notleidenden. Die Lkw-Besitzer hatten Angst, dass ihr Konvoi von Menschenmassen überrannt werde.

Unterdessen wächst der internationale Druck auf die Junta. Die Bundesregierung, die US-Regierung, die EU und zahlreiche Organisationen haben gestern erneut an die Regierung Birmas appelliert.

"Die Menschen setzen ihre Hoffnungen auf uns“

Außenminister Frank-Walter Steinmeier habe den birmanischen Botschafter in Berlin „eindringlich gebeten“, Hilfslieferungen schnell zuzulassen. Helfer des THW könnten sofort nach der Visa-Vergabe losfliegen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul stellte Hilfe in Aussicht, die über die Sofortmaßnahme von einer Million Euro hinausgehe. „Wir sind auch bereit, mehr zu leisten. Die Menschen setzen ihre Hoffnungen auf uns.“

Die wenigen Helfer in Birma stehen unterdessen vor einer logistischen Herausforderung: Mindestens eine Million Menschen sind obdachlos, viele Gebiete sind kaum zugänglich. Laut einer US-Diplomatin sollen bei Zyklon „Nargis“ 100000 Menschen ums Leben gekommen sein, birmanische Medien sprechen von 80000 Toten.

Das Malteser-Hilfswerk erklärte, die Situation sei in den Auswirkungen mit dem Tsunami 2004 vergleichbar. Eine Sprecherin der Uno meint: „Der Grad der Zerstörung ist enorm. Das volle Ausmaß ist kaum zu erahnen.“ Die Vorratslager in Rangun sind fast leer, das verschmutzte Wasser wird zum Seuchenherd.

„Es gilt jetzt, schnell zu sein“, sagte ein Caritas-Mitarbeiter, „jede Stunde zählt.“ Die Gefahr, dass Cholera, Typhus und Malaria ausbrechen, steigt. „Wir haben dafür alle Bedingungen: verschmutztes Wasser, Leichen, hohe Luftfeuchtigkeit“, sagt Wolfgang Tyderle von „Care“. Sobald die Krankheiten in Massen ausbrechen, seien sie kaum unter Kontrolle zu bringen. Durch jahrelange Mangelernährung seien die Menschen geschwächt, schon eine Durchfallerkrankung werde lebensgefährlich, meint Tyderle. „Da muss man mit vielen, vielen Opfern rechnen.“

akk

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.