Waigel im AZ-Interview: „Es fehlt die geistige Schärfe“

Der Ex-CSU-Chef hält von einfachen Lösungen nichts – und von Erika Steinbach gar nichts.
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Theo Waigel: Der 71-jährige frühere Finanzminister war von 1988 bis 1999 Chef der CSU. Heute ist er deren Ehrenvorsitzender.
AP Theo Waigel: Der 71-jährige frühere Finanzminister war von 1988 bis 1999 Chef der CSU. Heute ist er deren Ehrenvorsitzender.

Der Ex-CSU-Chef hält von einfachen Lösungen nichts – und von Erika Steinbach gar nichts.

AZ: Herr Waigel, nun beginnt wieder die Debatte, ob die CSU sich als konservative Kraft in ganz Deutschland zur Wahl stellen soll.

THEO WAIGEL: Es gibt Uraltmärchen und Uraltforderungen. Wenn das 1976 unter Franz Josef Strauß nicht möglich und auch nicht sinnvoll war, dann ist es heute schon drei Mal nicht möglich, nicht sinnvoll und schon gar nicht durchsetzbar. Von solchen Spielchen sollte man sich sofort verabschieden und die Diskussion beerdigen. Sie ist für die CSU schädlich.

Trotzdem wird nach Sarrazin und Steinbach heftig über Konservatismus diskutiert.

Man soll um Gottes willen nicht Frau Steinbach beklagen. Ich kann doch nicht den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges so relativieren. Hier fehlt es an geistiger Tiefenschärfe und intellektueller Unterscheidung. Das hat nichts mit konservativ zu tun.

Was ist denn konservativ?

Konservativ ist, so wie Strauß einmal gesagt hat, an der Spitze des Fortschrittes stehen. Alles, was gut ist, die Gemeinschaft und den Staat zusammenzuhalten. Aber natürlich neuen Ideen aufgeschlossen gegenüberstehen. Ein Konservativismus, der Europa und die globale Welt ablehnt, ist verstaubt.

Strauß hat gesagt, rechts von der CSU darf es keine andere Partei geben. Jetzt bekäme eine solche 20 Prozent.

Am Ende der Strauß-Zeit sind die Republikaner entstanden, hatten anfangs Erfolge, sind dann aber untergegangen. Der echte Konservative verstrickt sich nicht in Eugenik-Debatten wie Sarrazin. Der weiß, dass national heute nicht mehr definiert werden kann, wie vor 50 Jahren. Es gibt immer noch viele, die an einfache Lösungen glauben. Aber die gibt es nicht.

Was macht die Politik falsch?

Sie muss Mut haben, den Menschen die Politik zu erklären. So wie Karl-Theodor zu Guttenberg allen erklärt, warum die Wehrpflicht nicht mehr praktikabel ist. Das finde ich fabelhaft. Dringend nötig wäre es, den Leuten auch zu erklären, warum die Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre gehen muss. Da muss man sich hinstellen und sagen, das ist keine Rentenkürzung, sondern der notwendige Preis dafür, dass wir zehn Jahre länger leben wollen.

Ist Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sozialdemokratisch?

Nein, das ist sie nicht. Sie müsste aber große Vorhaben auch geistig untermauern. Da darf ich den Menschen nicht nur sagen, das erfordert die Demographie. Weil viele Demographie und Demokratie verwechseln.

Wo sind noch Konservative in der CSU?

Stoiber war kein Konservativer, eher ein Modernisierer. Beckstein ist wertkonservativ. Seehofer ist ein begabter Pragmatiker, der sozialpolitisch eher konservativ und im Staatsverständnis liberal wirkt.Interview: Angela Böhm

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