Wahlrecht: Karlsruhe kippt paradoxe Klausel

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgetragen, bis 2011 eine neue Regelung für Überhangsmandate zu erlassen. Die geltende Wahlvorschrift könne bewirken, dass mehr Stimmen zu weniger Mandaten führen.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Stimmzettel 2005: Potenziell willkürliche Wirkung
dpa Stimmzettel 2005: Potenziell willkürliche Wirkung

Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber aufgetragen, bis 2011 eine neue Regelung für Überhangsmandate zu erlassen. Die geltende Wahlvorschrift könne bewirken, dass mehr Stimmen zu weniger Mandaten führen.

Bei Bundestagswahlen sind Regelungen im Wahlrecht, die bei Stimmengewinnen zum Verlust von Abgeordnetenmandaten führen können, verfassungswidrig. Das entschied das Bundesverfassungsgericht und gab damit erstmals einer Wahlprüfungsbeschwerde von Bürgern statt.

Der Zweite Senat hat beanstandet, dass die bisherige Berechnung der Überhangmandate dazu führen kann, dass weniger Zweitstimmen für eine Partei mehr Sitze im Parlament bringen können. Umgekehrt können mehr Zweitstimmen die Zahl der Mandate verringern.

Verstoß gegen Gleichheit und Unmittelkarkeits-Gebot

Nach dem Urteil verstößt dieses so genannte «negative Stimmgewicht» gegen die Grundsätze der Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl. Das Wahlergebnis von 2005 bleibt aber in Kraft. Der Gesetzgeber muss bis Ende Juni 2011 eine Neuregelung für die Verteilung von Überhangsmandaten erlassen. Laut Zweitem Senat führt die Klausel zu «willkürlichen Ergebnissen». Der demokratische Wettbewerb um Zustimmung erscheine daher widersinnig. Dabei handele es sich nicht etwa um eine seltene Ausnahme. Der Effekt wirke sich regelmäßig auf das Wahlergebnis aus, sobald Überhangmandate entstünden - also wenn eine Partei in einem Land mehr Direkt- als Listenmandate gewinnt.

Entscheidende Bedeutung bei Nachwahl 2005 in Dresden

Die Wahlvorschrift spielte bei der Dresdner Nachwahl zur knapp ausgegangenen Bundestagswahl 2005 eine Rolle. Die war notwendig geworden, weil der NPD-Direktkandidat gestorben war. Im Streit um den Anspruch auf die Kanzlerschaft zwischen Gerhard Schröder und Bundeskanzlerin Angela Merkel und in der Frage der Koalitionsbildung war die Nachwahl von erheblicher Bedeutung. Im Wahlkreis 160 wurde das paradoxe Phänomen schließlich gezielt genutzt, indem die Effekte herausgestellt wurden. Vor der Nachwahl wurde darauf aufmerksam gemacht, dass weniger Zweitstimmen für die CDU ein Überhangmandat mehr bringen. Die CDU erhielt daraufhin bei der Nachwahl weniger Zweitstimmen als sonst. (AP/dpa)

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.