Wahlplakate für Europa: "Könnten kreativer sein"

Die Parteien blasen zur Schlussoffensive vor der Europawahl. Kaum irgendwo gibt's ein Entkommen vor den aggressiven Plakaten der SPD, dem Bandwurmslogan der CSU, der gelbe Silvana und dem grünen Wums. Die AZ hat den Politikprofessor und Wahlkampf-PR-Experten Gerd Strohmeier (34) um seine Analyse gebeten.
von  Abendzeitung

Die Parteien blasen zur Schlussoffensive vor der Europawahl. Kaum irgendwo gibt's ein Entkommen vor den aggressiven Plakaten der SPD, dem Bandwurmslogan der CSU, der gelbe Silvana und dem grünen Wums. Die AZ hat den Politikprofessor und Wahlkampf-PR-Experten Gerd Strohmeier (34) um seine Analyse gebeten.

AZ: Herr Professor Strohmeier, die SPD attackiert mit ihren Plakaten im Europawahlkampf die anderen Parteien scharf und setzt damit als erste Partei in Deutschland auf eine Negativ-Kampagne. Funktioniert das?

GERD STROHMEIER: Die SPD-Plakate wirken ungewöhnlich scharf, etwas billig und unseriös. Andererseits sind das Haifisch- oder das Fön-Motiv natürlich humorvoll. Damit erreicht die SPD, dass sie in die Medien kommt. Ob sie aber mit Medien-Gags auch mehr Wähler an die Urnen bringt, wage ich sehr zu bezweifeln. Die Negativ-Kampagne wird nicht genügend durch Positiv-Aussagen flankiert, wofür die SPD nun eigentlich steht.

Zudem läuft die SPD Gefahr, dass Spaßvögel ihre Plakate durch den Kakao ziehen, nach dem Motto: „Wer Vollpfosten will, muss SPD wählen.“

Die Motive werden vor allem bei Stammwählern gut ankommen. Die müssen aber nicht mehr gewonnen, nur noch mobilisiert werden. Wahlen gewinnt eine Partei heute über die Wechselwähler – ob das der SPD gelingt, ist sehr fraglich. Unterm Strich: Mit so einer Kampagne kann sie mehr verlieren als gewinnen.

Potenzielle FDP-SPD-Wechselwähler werden es begrenzt lustig finden, als Finanzhaie beschimpft zu werden...

Genau. Auf der einen Seite will die SPD die FDP unbedingt ins Boot holen, spricht permanent von einer Ampel-Koalition nach der Bundestagswahl. Das passt nicht zusammen. Mit Blick auf die Europawahl verwundert diese Schärfe sowieso – in Brüssel gibt’s ja keine normale Parteienkonkurrenz wie in Berlin oder München. Aber der Europawahlkampf ist leider bei allen Parteien überfrachtet mit bundespolitischen Themen.

Das Gegenextrem zur SPD ist die CDU – deren Plakate wirken getragen, fast langweilig.

Ja, es ist interessant, dass sich die CDU bislang nicht auf die Negativ-Kampagne der SPD eingelassen hat. Ihre Plakate sind sehr staatstragend, patriotisch und mit den Nationalfarben versehen. Die CDU will mit den Motiven ihren Charakter einer Volkspartei unterstreichen: Man sieht Arbeiter, Büroangestellte, Familien. Die Slogans sind allerdings wenig aussagekräftig: „Für Schutz durch Gemeinschaft. Wir in Europa“: Was soll diese Aussage bitte transportieren?

Ganz ehrlich: Was halten Sie von dem Bandwurm-Slogan aus München – „Nur wer CSU wählt, gibt Bayern eine eigene Stimme in Europa“?

Die CSU versucht eben, ihre Eigenständigkeit zu unterstreichen. Weil es bei der Europawahl knapp werden könnte, setzt sie auf die bayerische Karte. Andererseits wirkt der Wahlslogan sehr abgegriffen – eine Werbeagentur vermutet man kaum dahinter. Hier hätte die CSU viel kreativer und knackiger sein können.

Während die CSU sich mit Bayern gleichsetzt, scheint die FDP allein auf das Antlitz der Spitzenkandidatin Koch-Mehrin zu vertrauen.

Auch die FDP-Plakate sind wenig aussagekräftig, aber durchgestylt und angelehnt an kommerzielle Werbung: Schlechte Slogans wie „Wir können Europa besser“ oder „Europa auf Vorderfrau bringen“ erinnern an Elektromarktwerbung à la „Wir hassen teuer.“

Soll die blonde Silvana das Gegenbild sein zum technokratisch-kühlen Westerwelle?

Die Liberalen haben ihre Plakate als einzige Partei ganz auf die Spitzenkandidatin für Europa ausgerichtet – nicht auf ihre Bundespolitiker. Bei der FDP weiß der Bürger immerhin, wen sie ins Europäische Parlament schicken will.

Im Unterschied zu den Grünen, die statt mit Menschen mit dem „Wums“ werben...

...und irgendwelche Zahnräder zeigen, die kein Mensch auf den ersten Blick versteht. Auch den Werbeslogan „Wums“ versteht niemand. Und dann erklären sie auch noch mit einem Sternchen, was das heißen soll – wie mit einer Fußnote in einer wissenschaftlichen Publikation. Für eine politische Werbekampagne ist das ganz schlecht gemacht.

Interview: Markus Jox

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