Wahlkrimi: Ist Italien unregierbar?

Pier Luigi Bersani siegt im Abgeordnetenhaus, braucht aber wohl im Senat einen Partner. Silvio Berlusconi und der Populist Beppe Grillo schneiden überraschend stark ab.  
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Pier Luigi Bersani siegt im Abgeordnetenhaus, braucht aber wohl im Senat einen Partner. Ex-Premier Silvio Berlusconi und der Populist Beppe Grillo schneiden überraschend stark ab.

Rom - Das Schlimmste scheint verhindert. Silvio Berlusconi dürfte kaum noch einmal Regierungschef werden in Italien. Aber der „Cavaliere“ wird wieder ein gewichtiges Wörtchen mitreden können. Laut Hochrechnungen hat zwar das Mitte-Links-Bündnis von Pier Luigi Bersani und seiner sozialdemokratischen Partei PD die Wahl im Abgeordnetenhaus gewonnen. Hauchdünn mit 29,6 Prozent vor dem Mitte- Rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi mit 28,7 Prozent.

In der zweiten Kammer, dem Senat, hat aber Berlusconi die Nase vorn. Berlusconi und Bersani könnten sich gegenseitig blockieren. Damit wird Italien unregierbar – oder das Land wählt gleich noch mal, so lange, bis etwas sinnvolles dabei herauskommt. Überraschungssieger des Abends ist der populistische Polit-Clown Beppo Grillo – er kommt mit seiner Bewegung „Fünf Sterne“ auf 26,7 Prozent im Abgeordnetenhaus. „Ohne uns geht es nicht mehr“, erklärte der Komiker per Telefon Montagabend im Fernsehsender RAI. „Wenn sie uns folgen wollen, gut, wenn nicht, wird es einen harten Kampf geben“, kündigte er an, Dieser Norditaliener spaltet das Land, seine Internet-Bewegung nach dem Muster der Piratenwar ein Erfolg. Und er erklärte die Wahlen zu einer Volksabstimmung über den Euro: „Das italienische Volk wird in einem Referendum entscheiden, ob wir in der Euro-Zone bleiben oder nicht.“

Nach dem Wahlausgang von Montag scheint das italienische Volk sich nicht so ganz sicher zu sein, ob es im Euro bleiben will. Der Verlierer des Abends steht jedenfalls fest: Der scheidende Premier Mario Monti kommt mit seinem Bündnis der Zentrumsparteien auf nur gut 10 Prozent. Der Wirtschaftsprofessor aus Norditalien war daran gescheitert, den Italienern seinen Reformund Sparkurs zu vermitteln.

Wie es jetzt in Italien weitergeht, ist noch unklar. Pier Luigi Bersani könnte neuer Ministerpräsident werden. Im Abgeordnetenhaus kann die Linke dank des italienischen Wahlrechts mit einem Bonus für die stärkste Partei rechnen und käme damit auf 340 der 630 Sitze. Berlusconi bekäme 121 Sitze, Grillo 110. Im Senat sind die Dinge komplizierter: Dort verpasste Bersanis Bündnis mit 105 Sitzen die Mehrheit – und würde einen Koalitionspartner brauchen. Berlusconi hat hier zwar die meisten Sitze (113 von 315), aber ebenfalls keine Mehrheit.

Für das hoch verschuldete Land, das in einer tiefen Rezession steckt, hängt viel davon ab, ob es rasch eine stabile Regierung bekommt. Schon gibt es Warnungen vor einer politischen Blockade des Euro-Krisenlandes. „Wenn die Dinge so bleiben, wird das nächste Parlament unregierbar sein“, sagte Enrico Letta von Bersanis Demokratischer Partei. Dann müssen Neuwahlen her. Die Märkte reagierten prompt auf die Chaos-Wahl: Dax und Co. gaben am Montag einen Teil der Kursgewinne wieder ab. Der Euro geriet unter unter Druck. Könnte sein, dass die Hängepartie für Italien und den Euro noch ein Weilchen andauert.

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