Wahl oder Boykott: Thailand vor Parlamentswahl tief gespalten
Thailand wählt unter massivem Polizei- und Armeeaufgebot an diesem Sonntag ein neues Parlament. Regierungsgegner wollen die Stimmabgabe mit Straßenblockaden in der Hauptstadt Bangkok verhindern. Dort gilt der Ausnahmezustand.
Bangkok - Die Behörden können jederzeit Demonstrationen verbieten und Ausgangssperren verhängen. Der deutsche Botschafter Rolf Schulze mahnt Landsleute in Bangkok zur Vorsicht. Am Samstag fielen bei Zusammenstößen von Regierungsanhängern und -gegnern nach Medienberichten mehrere Schüsse. Der staatliche Rundfunk sprach von zwei "bombenähnlichen" Detonationen in der Nähe der Kreuzung, an der die rivalisierenden Gruppen aufeinandertrafen. Mehrere Menschen wurden nach unbestätigten Berichten verletzt.
Die mit vielen Unregelmäßigkeiten behaftete Wahl wird den innenpolitischen Machtkampf nicht beenden. Die einzige große Oppositionspartei tritt gar nicht erst an.
Im Süden des Landes haben Demonstranten Postämter belagert und damit die Auslieferung der Wahlscheine gestoppt. Sie torpedierten bereits Ende Dezember in 28 Wahlkreisen die Registrierung von Kandidaten. Deshalb steht bereits jetzt fest, dass das neue Parlament ohne Nachwahlen nicht zusammentreten kann.
"Wir sind nicht gegen Wahlen per se", sagt Akanat Promphan, der Sprecher des regierungsfeindlichen "Demokratischen Reformkomitees des Volkes" (PDRC), das die Massenproteste auf den Straßen organisiert. "Wir wollen erst Reformen und anschließend Wahlen."
Die Demonstranten werfen Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra und ihrem Clan vor, sie hätten sich Wähler, Politiker und Institutionen mit Schmiergeld und Gefälligkeiten gefügig gemacht. Die Oppositionellen wollen das "Thaksin-Regime" - benannt nach Yinglucks Bruder Thaksin, der 2006 gestürzt wurde und im Exil lebt - erst "ausmerzen".
Yingluck löste nach Massenprotesten in Bangkok Anfang Dezember das Parlament vorzeitig auf, ließ sich aber wieder als Spitzenkandidatin aufstellen. "Wir machen nur unsere Arbeit, und wenn man uns loswerden will, kann man das nur durch Wahlen tun", sagte sie.
Yingluck bekräftigte indessen ihr Versprechen politischer Reformen direkt nach den Wahlen. Sie rief ihre Landsleute am Samstag auf, ihre Stimme abzugeben. Ein Boykott bringe nichts. "Die Wahlen zu verschieben hieße nur, unsere Probleme zu verschieben", sagte die 46-Jährige. "Nach den Wahlen werden wir wie von den Demonstranten verlangt einen Reformprozess starten."
Auslöser der Proteste war ein Amnestiegesetz, das die Regierung im November 2013 mit ihrer absoluten Mehrheit durch das Parlament drückte. Damit hätte Ex-Regierungschef Thaksin, der zu zwei Jahren Haft wegen Amtsmissbrauchs verurteilt worden war, als unbescholtener Bürger in seine Heimat zurückkehren können.
Protestanführer Suthep Thaugsuban, prominenter Abgeordneter der Oppositionspartei "Die Demokraten", legte daraufhin sein Mandat nieder und ging mit Gefolgsleuten auf die Straße.
Bei den Regierungsanhängern handelt es sich mehrheitlich um ärmere Schichten aus dem Norden und Nordosten. Sie profitieren von Maßnahmen der Regierung wie die Vergabe von Kleinkrediten und Garantiepreise für Reis.
Die Regierungsgegner gehören mehrheitlich gehobenen Kreisen an. Sie werfen der politischen Führung vor, mit ihren Steuergeldern die Unterstützung und Stimmen der Ärmeren zu kaufen. "Bei der Wahl geht es um Macht und Kontrolle, nicht um Demokratie", sagt Kriengsak Chareonwongsak, Leiter des Analyseinstituts IFS.
Kommentatoren wie der Anwalt Verapat Pariyawong befürchten, dass Protestanführer Suthep das Militär zum Eingreifen provozieren will. Thailand hat in gut 80 Jahren 18 Coups erlebt, zuletzt 2006. "Ich hoffe auf eine hohe Wahlbeteiligung, als Signal an das Militär, dass Thailands Volk keinen Putsch will, sondern das Land voranbringen will", sagt er.