Wahl in Wien: Deshalb bleibt die Stadt sozialdemokratisch

Sozialdemokrat Michael Ludwig ist der neue-alte Bürgermeister. Trotz der Sieges-Serie der extrem rechten FPÖ bleibt Wien rot. Warum das so ist und welche Gefahren das mit sich bringt, hat sich die AZ angesehen. Das Erschreckende bei all dem: Was Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für Deutschland vorhersagt, findet in Österreich schon längst statt.
von  Patrick Guyton
dpatopbilder - 27.04.2025, Österreich, Wien: Dritte Präsidentin des Nationalrates, Doris Bures (l-r), Wahlkampfmanagerin Barbara Novak, Michael Ludwig, Stadtrat Peter Hacker und Klubchef Josef Taucher (alle SPÖ), anlässlich der Wien-Wahl. Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
dpatopbilder - 27.04.2025, Österreich, Wien: Dritte Präsidentin des Nationalrates, Doris Bures (l-r), Wahlkampfmanagerin Barbara Novak, Michael Ludwig, Stadtrat Peter Hacker und Klubchef Josef Taucher (alle SPÖ), anlässlich der Wien-Wahl. Foto: Helmut Fohringer/APA/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ © Helmut Fohringer/APA/dpa

Wien - Glaubte man der extrem rechten FPÖ im Wahlkampf um die Macht in Wien, so musste man zu der Meinung gelangen: Die österreichische Hauptstadt ist zu einer Horror-Metropole geworden.

Überall explodierende Ausländerkriminalität, von Osten fielen die Fremden in Massen ein und plünderten die Sozialkassen. Männer mit Messern würden gehäuft Frauen ermorden. Die Schulen stünden vor dem Ruin, kaum ein Kind beherrsche mehr Deutsch.

Wien-Wahl 2025: Sozialdemokraten haben nur leicht verloren

So posaunten es der Wiener FPÖ-Spitzenkandidat Dominik Nepp und auch mit großem Einsatz der Parteivorsitzende Herbert Kickl hinaus auf den Plätzen in der Donau-Metropole. Auf der anderen Seite hat der Londoner "Economist" Wien erneut in höchsten Tönen gelobt. Und zwar 2024 als "lebenswerteste Stadt" der gesamten Welt. Nicht zum ersten Mal.

Es zeichne sich durch "hohe Lebensqualität" aus, so die Journalisten, eine gute Infrastruktur, ein "ausgezeichnetes" Gesundheitssystem, hochwertige Bildungsangebote und sehr viel Kultur. Weiter sei Wien eine "sichere und stabile Stadt".

Blick auf die Wiener Donauplatte mit den DC Towers und Donauturm. Vom Londoner "Economist" wurde die Stadt 2024 zur "lebenswertesten" der Welt gekrönt.
Blick auf die Wiener Donauplatte mit den DC Towers und Donauturm. Vom Londoner "Economist" wurde die Stadt 2024 zur "lebenswertesten" der Welt gekrönt. © Georg Hochmuth (APA)

Man scheint von zwei gegensätzlichen Metropolen zu reden. Am Sonntag hat Wien nun seinen Gemeinderat gewählt, der zugleich das Landesparlament ist. Die traditionell dominierenden Sozialdemokraten haben mit 39,5 Prozent leicht verloren gegenüber ihrem Ergebnis von 41,6 vor fünf Jahren. Die Grünen konnten sich so gut wie halten (14,2 Prozent), die liberalen Neos mit 9,7 zwei Prozentpunkte dazu gewinnen.

Wahl in Wien: ÖVP halbiert Ergebnis

Drastisch abgestraft wurde die konservative ÖVP, die ihr Ergebnis halbierte (9,8 Prozent). Emporgeschnellt ist hingegen die FPÖ auf 20,8 Prozent. Vor fünf Jahren waren es nur 7,1, allerdings lag die Partei da wegen der Ibiza-Korruptionsaffäre am Boden, vor zehn Jahren hatten die Rechten noch 30,8. Die Kommunisten von der KPÖ verfehlten mit vier Prozent den Einzug ins Parlament.

Koalitionsgespräche beginnen nun, die Stadt dürfte wohl wie bisher aus einem Bündnis von SPÖ und den "pinken" Neos regiert werden. Bürgermeister bleibt der 61-jährige Michael Ludwig – ein klassisch-robuster sozialdemokratischer Macher.

Wien mit seinen zwei Millionen Einwohnern war seit jeher durch und durch rot. Seit Kriegsende 1945 hat die SPÖ immer den Bürgermeister gestellt und die Regierung angeführt. Teils erreichte die Partei bei Wahlen 60 Prozent. Aus dem Dunkel- ist mittlerweile ein Hellrot geworden, wobei das jetzige SPÖ-Ergebnis nicht das schlechteste überhaupt war. Und das erstaunt, befindet sich die Sozialdemokratie doch in anderen Ländern Europas seit Jahren nur noch im freien Fall.

Wohnen in Wien: Ein Drittel der Mietwohnungen in Stadtbesitz

Um sich dem Rotes-Wien-Phänomen anzunähern, kann man etwa mal ein Grätzl erkunden. Das ist ein Wohnquartier, ein paar Häuserblocks, die keine offizielle Einheit darstellen wie etwa ein Stadtviertel. Dem Grätzl am nächsten kommt wohl der Berliner Kiez.

Im fünften Bezirk Margareten, einst Arbeiterviertel, heute ziemlich Multikulti, gibt es den Reumann-Hof. Ein Gemeindebau mit knapp 500 Wohnungen, entstanden in den 1920ern, der der Stadt Wien gehört. Die Mieten sind extrem günstig, es werden aber auch Normalverdiener aufgenommen. Ein Drittel der Wiener Mietwohnungen ist im Besitz der Stadt und werden so betrieben. Auch diese günstigen Preise für das Wohnen tragen dazu bei, dass Wien als so lebenswert eingestuft wird.

Im Reumann-Hof also leben etwa zwei Rentner, beide Witwer, die zwar ihre Namen nicht gern in der Zeitung lesen, aber bestens im Grätzl vernetzt sind. Man kennt sich, man trifft sich in einem Gemeinschaftsraum oder bei gutem Wetter auf den Bänken im Hof. Im Grätzl, so scheint es, achtet man auf die Nachbarschaft – manchmal vielleicht ein bisschen zu sehr. Dass mehrheitlich rot gewählt wird, ist selbstverständlich.

Wiener Grüne wettern gegen "roten Kleingarten-Sumpf"

Die 80-jährige rote Dominanz birgt aber auch die Gefahr der Spezlwirtschaft und des Machtmissbrauches. Die wesentlichen Posten von städtischen Behörden oder Betrieben sind parteipolitisch besetzt. Bei den Roten, aber auch bei anderen, kommt es immer wieder zu Affären.

So besitzen etwa auffällig viele Genossen Wiener Kleingärten, für die sonst Wartezeiten von bis zu 70 Jahren bestehen. Manche hatten sich auch in eine Anlage eingekauft, die kurz darauf zu regulärem Bauland wurde. Die Grünen wetterten gegen den "roten Kleingarten-Sumpf".

Dass die Migration – das einzige FPÖ-Thema – Probleme mit sich bringt, bestreitet niemand. Doch außer der Rechts-Partei will auch niemand Zugezogene staatlich offiziell diskriminieren. Die FPÖ hingegen verlangt, Sozialleistungen nur an "richtige" Österreicher zu zahlen.

Söder-Prognose in Österreich in vollem Gange

Der Bezirk Favoriten wird regelmäßig als größter Problemfall und enorm gefährliche Gegend dargestellt. Und zwar immer, wenn dort ein Gewaltverbrechen geschieht. Der Migrantenanteil ist hoch, monotone Wohnblöcke bestimmen das Bild. Doch ein junger Konservativer wie der 35-jährige Nico Marchetti, der kürzlich neuer Bundesgeneralsekretär der ÖVP geworden ist, sagte im Gespräch mit der AZ: "Ich komme aus Favoriten, lebe in Favoriten und mag Favoriten."

Markus Söder warnte die Union in Deutschland kürzlich, dass die AfD sie "zerstören" wolle.
Markus Söder warnte die Union in Deutschland kürzlich, dass die AfD sie "zerstören" wolle. © Peter Kneffel/dpa

Auch in Wien gibt es 20 Prozent FPÖ-Wutwähler. Schaut man sich das Gesamtergebnis aber mit Blick auf die monatelang so stürmische Bundespolitik an, lässt sich sagen: Die neue Regierung aus ÖVP, SPÖ und Neos kommt da insgesamt gar nicht so schlecht weg. Mit einer Ausnahme, nämlich der ÖVP.

Bayerns CSU-Chef Markus Söder warnte die Union in Deutschland kürzlich, dass die AfD sie "zerstören" wolle. In Österreich ist das voll im Gange: Die Konservativen verlieren auf drastische Weise an die FPÖ.

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