Wahl in Großbritannien: Drei Verlierer und eine Hängepartie

Der Poker um die Macht in Großbritannien ist eröffnet: Großbritannien betritt politisches Neuland: Es wird eine Koalition geben müssen. Die oppositionellen Konservativen sind stärkste Partei - aber ohne absolute Mehrheit der Parlamentssitze.
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David Cameron mit seiner Frau Samantha am Abend der Wahl
dpa David Cameron mit seiner Frau Samantha am Abend der Wahl

LONDON - Der Poker um die Macht in Großbritannien ist eröffnet: Großbritannien betritt politisches Neuland: Es wird eine Koalition geben müssen. Die oppositionellen Konservativen sind stärkste Partei - aber ohne absolute Mehrheit der Parlamentssitze.

Normalerweise gibt es bei Wahlen wenigstens einen Sieger, und in Großbritannien fährt der am Tag nach der Wahl zum Empfang bei der Königin. Doch diesmal ist alles anders: Es gibt zweieinhalb Verlierer und niemanden mit ausreichender Mehrheit – das gab es in Großbritannien seit Jahrzehnten nicht mehr.

Noch am besten steht Tory-Chef David Cameron da: Seine Partei hat die meisten Sitze gewonnen (299), ein Plus von 94. Doch das reicht nicht zur erhofften Mehrheit. Ohne Partner kann er nicht regieren. Ein Novum für Großbritannien, wo das Wahlrecht – der siegreiche Direktkandidat zieht ein, alle anderen Stimmen verfallen – jahrzehntelang für ein Macht-Duopol gesorgt hat: Regiert hat jeweils einer der großen Blöcke, und wenn der zu lange dran war, brachte das Pendel den anderen an die Macht. Koalitionen, das war etwas festland-europäisches, schwer handlungsfähig, langsam, anfällig für Geschacher und schale Kompromisse.

Der große Verlierer ist Gordon Brown: Labour stürzt unter ihm auf ein Rekordtief von 29 Prozent, verliert 88 Sitze. Doch er sieht es nicht ein: Beobachter zogen Vergleiche zu Gerhard Schröder 2005, als Brown erklärte, es sei seine „Aufgabe“, eine „starke, stabile Regierung“ zu bilden. Da wütete Cameron: „Das Volk hat Ihnen das Mandat zum Regieren entzogen.“ Ein anderer Tory: „Kommt auf den Boden.“

Allerdings hat Brown in der Tat das britische Recht auf seiner Seite: Bei einem „hung parliament“ (also wie jetzt ohne klare Mehrheit) versucht zunächst der Amtsinhaber, eine Regierung zu bilden.

Aber mit wem? Dazu müsste Labour die Liberaldemokraten von Nick Clegg gewinnen. Die sind erstmal mit Wundenlecken beschäftigt, weil sie nach dem Hype um ihren Kandidaten und den blendenden Umfragewerten drastisch abstürzten. Statt 33 gab es nur 23 Prozent, sie verlor sogar fünf Sitze. „Enttäuschend“, sagt Clegg offen und bitter.

Immerhin hat er die Rolle des Königsmachers. Inhaltlich stehen die Liberaldemokraten Labour deutlich näher als den Konservativen. Doch Clegg hat so gar keine Lust, mit Labour und dem unpopulären Brown „eine Koalition der Verlierer“ einzugehen, heißt es in seinem Umfeld. Denkbarer Ausweg: Labour entmachtet Brown und installiert stattdessen den jungen Außenminister David Milliband.

Während der Wahlsieger-Empfang bei der Königin gestern abgesagt wurde, laufen die Hinterzimmer-Verhandlungen auf Hochtouren. Clegg will sich am Wochenende mit seiner Partei beraten, signalisierte gestern schon ein erstes Votum für die Tories: „Das ist die Partei mit den meisten Stimmen, und sie hat das Recht, eine Regierung zu bilden.“ Wenig später schwenkte auch Brown um: Die beiden, Clegg und Cameron, sollten doch erstmal miteinander reden, „sich so viel Zeit nehmen, wie sie brauchen“. Wenn sie sich nicht einigen, werde er mit Clegg sprechen.

Ed Miliband (Labour): „Der Wähler hat gesprochen. Leider wissen wir nicht genau, was er sagen wollte.“ tan

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