Wahl-Debakel der SPD: Fiasko und Chance

AZ Vize-Chefredakteur Thomas Müller über Martin Schulz und die SPD.
Martin Schulz wird in die Annalen eingehen - als Parteichef und Kanzler-Kandidat, der der SPD das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit beschert hat. Es ist ein Debakel, das auch, aber eben nicht nur er selbst verschuldet hat.
Soziale Gerechtigkeit - mit dieser Karte hat er anfangs eindrucksvoll punkten können. So sehr, dass er die Union in Umfragen sogar einholen konnte. Warum er diese Farbe nicht weiterspielte, bleibt nicht nur sein Geheimnis, sondern vor allem das seiner Berater und seiner Partei. Sein langes Schweigen vor den drei (verlorenen) Landtagswahlen erst recht.
Penetrant hätte er auf sämtlichen sozialpolitischen Baustellen (Rente, Wohnungsmarkt, Alten- und Krankenpflege, Hartz IV, Mindestlohn, Bildungsgerechtigkeit) die Union vor sich hertreiben müssen. Hat er aber nicht. Wohl auch aus Rücksicht auf seine Partei, die ja seit Jahren mitregiert hat. Diese Rücksicht freilich hätte er sich sparen können. Denn viel Rückendeckung hat ihm seine durch großkoalitionäre Kompromisse ausgezehrte und verunsicherte Partei auch nicht geben können. Und Wahlkampfhilfen wie die von Schröder waren da bloß noch das Tüpfelchen auf das "i".
Wie's mit "Mr. 100 Prozent"-Parteichef Martin Schulz jetzt weitergeht? Er muss die Unions-geführte 3er-Koalition vor sich her-, und ebenso penetrant die Entzauberung der AfD vorantreiben - sowie seine Partei personell und inhaltlich komplett neu aufstellen. Ein Haufen Holz. Nach dem Debakel ein Neustart: Kein Zweifel, die Opposition ist die große Chance für die SPD.