Vorratsdatenspeicherung ist verboten

Die Speicherung von Internet- und Telefondaten ist "unverhältnismäßig", urteilen die EU-Richter. Was das für Deutschland bedeutet.
Annette Zoch |
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Die Vorratsdatenspeicherung ist höchst umstritten. Kritiker fürchten, dass dadurch die Totalüberwachung des Bürgers möglich wird.
dpa Die Vorratsdatenspeicherung ist höchst umstritten. Kritiker fürchten, dass dadurch die Totalüberwachung des Bürgers möglich wird.

Der Europäische Gerichtshof hat die umstrittene Vorratsdatenspeicherung gekippt. Jetzt muss ein ganz neues Gesetz her. Neuer Koalitionsstreit droht.

Luxemburg - Watschn für die EU-Kommission: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Die massenhafte Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten ohne konkreten Anlass sei ein „Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere“ in die Grundrechte der Bürger, urteilten die Luxemburger Richter am Dienstag.

Damit wird die EU-Richtlinie 24/EG aus dem Jahre 2006 komplett verworfen – die EU-Staaten müssen sich ein ganz neues Gesetz ausdenken. Allerdings: Das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung an sich wird nicht in Frage gestellt. Es helfe im Kampf gegen schwere Kriminalität.

Dass die Richter das Gesetz komplett kippen, kam einigermaßen überraschend. Erwartet worden war, dass das EuGH Änderungsvorschläge macht. Doch detaillierte Vorgaben machten die EU-Richter nicht. Stattdessen haben sie das Gesetz auf breiter Linie in der Luft zerpflückt: „Der Gesetzgeber hat beim Erlass der Richtlinie von 2006 die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten“, lautete das richterliche Fazit.

Denn: Das Datensammeln sei nicht auf das absolut notwendige Maß beschränkt. Die Richtlinie erlaubt, dass die Daten zwei Jahre lang aufgehoben werden. Und sie umfasst die Kommunikation aller EU-Bürger – ohne Ausnahme, egal ob eine Straftat vorliegt oder nicht. Die nationalen Behörden haben bisher außerdem das Recht, beliebig auf die Daten zuzugreifen, ohne richterliche Anordnung.

Zwar werden nur Metadaten gespeichert – also wer hat wann mit wem telefoniert und von wo. Aber das reicht schon für ein ziemlich gutes Bild über das Privatleben eines Menschen. Deshalb könne die Vorratsdatenspeicherung „bei den Bürgern das Gefühl erzeugen, dass ihr Privatleben Gegenstand einer ständigen Überwachung ist“, so die Luxemburger Richter.

Mit Genugtuung hat die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger das Urteil aufgenommen. „Das ist eine Zäsur und eine Riesenchance für eine Grundsatzdebatte“, sagte die FDP-Politikerin, die eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in der schwarz-gelben Koalition federführend verhindert hatte.

Deutschland ist deshalb das einzige Land in der EU, in dem es aktuell kein geltendes Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung gibt. Ein erstes Gesetz von 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 gekippt. Die neue schwarz-rote Koalition wollte die Vorratsdatenspeicherung mit einer kürzeren Speicherdauer von drei Monaten wieder einführen – aber erstmal das EuGH-Urteil abwarten.

Gestern bewerteten Union und SPD das Urteil unterschiedlich - neuer Koalitionsstreit droht: CDU-Innenminister Thomas de Maiziere hält die Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität immer noch für nötig: „Ich dränge auf eine rasche und kluge Neuregelung“, sagte er. SPD-Justizminister Heiko Maas sieht jetzt keinen Handlungsdruck mehr – denn erstmal muss auf EU-Ebene ein ganz neues Gesetz her. Und bis es so weit ist, können gut und gerne zwei Jahre vergehen.

 

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