Vor Großdemos: Angst vor Gewalt in Ägypten
Unmittelbar vor Großdemonstrationen herrscht in Ägypten gespannte Ruhe. Tausende Gegner der islamistischen Regierung sind aus der Provinz zu den geplanten Massenprotesten gegen die Muslimbruderschaft nach Kairo gereist.
Istanbul/Kairo - Viele von ihnen versammelten sich am Sonntagvormittag auf dem seit dem Arabischen Frühling weltweit bekannten Tahrir-Platz.
Eine Protestbewegung hat für den Nachmittag landesweite Demonstrationen angekündigt. Am heutigen ersten Jahrestag des Amtsantritts von Präsident Mohammed Mursi wollen die Aktivisten den Staatschef zum Rücktritt zwingen. Anhänger von Mursi kamen vor einer Moschee im Osten der Hauptstadt zusammen.
Viele Menschen gingen aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen nicht zur Arbeit. Tausende von Ausländern hatten Kairo am Samstag verlassen. In den vergangenen Tagen gab es bereits gewaltsame Zusammenstöße, dabei starben mehrere Menschen.
Das Nachrichtenportal "youm7" meldete, die Organisatoren der zentralen Kundgebung auf dem Tahrir-Platz hätten die Straßen rund um den Platz am Sonntagmorgen mit Metallgittern und Sandsäcken abgesperrt. In wenigen Stunden sollen Protestzüge aus mehreren Vierteln Kairos zum Tahrir-Platz sowie zum Präsidentenpalast ziehen. Auch in Alexandria und vielen anderen Städten sind Demonstrationen geplant.
Die Großdemonstrationen markieren den Abschluss der Anfang Mai gestarteten Kampagne "Tamarod" (Rebellion), bei der die Initiatoren nach eigenen Angaben über 22 Millionen Unterschriften von Bürgern gegen Mursi gesammelt haben. Ziel war es, mehr Unterschriften zu bekommen, als der Islamist Wählerstimmen erhalten hatte. Bei der Wahl vor einem Jahr hatte sich Mursi mit 13,2 Millionen Stimmen knapp durchgesetzt.
Die Opposition wirft Mursi vor, nicht wie versprochen der Präsident aller Ägypter zu sein, sondern vor allem die Macht der Muslimbruderschaft auszubauen. Die massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes gehe er hingegen nicht an. Deshalb habe er seine Legitimität verloren und müsse abtreten. Die Muslimbruderschaft lehnt einen Rücktritt Mursis ab.
Der Friedensnobelpreisträger und ehemalige Präsidentschaftskandidat Mohammed ElBaradei warnte vor einem Auseinanderbrechen des Landes. In einer Videobotschaft forderte er Neuwahlen und betonte mit Blick auf Mursi: "Wir haben ihm einen Führerschein gegeben, aber er kann nicht Auto fahren."
Ein führender muslimischer Geistlicher warnte beide Seiten vor einem Bürgerkrieg. "Gewalt, Mord, Brandstiftung und Blutvergießen sind verdammenswert", sagte das Oberhaupt des einflussreichen Al-Azhar-Islam-Instituts, Scheich Ahmed al-Tajjib.
Das Nachrichtenportal "Al-Ahram" meldete unter Berufung auf ein Mitglied der Muslimbruderschaft, Unbekannte hätten in der Stadt Bani Sueif zwei Gebäude der Partei der Muslimbrüder angezündet. Diese Angaben wurden offiziell jedoch nicht bestätigt. Angriffe auf Büros der Islamisten hatte es immer wieder gegeben.
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