Vor dem Parteitag: Die SPD in der Glaubwürdigkeitsfalle

Nach dem Europawahl-Desaster und der Arcandor-Pleite befinden sich die Umfragewerte der SPD ebenso im Sinkflug wie die des Kanzlerkandidaten. Ein Parteitag am Sonntag in Berlin soll jetzt die Kehrtwende bringen. Die Delegierten sollen ihr Bundestagswahlprogramm beschließen - und Frank-Walter Steinmeier zujubeln.
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Jetzt wird gekämpft: SPD-Chef Müntefering erklärt Berliner Schülern „die Rolle der Parteien“.
dpa Jetzt wird gekämpft: SPD-Chef Müntefering erklärt Berliner Schülern „die Rolle der Parteien“.

BERLIN - Nach dem Europawahl-Desaster und der Arcandor-Pleite befinden sich die Umfragewerte der SPD ebenso im Sinkflug wie die des Kanzlerkandidaten. Ein Parteitag am Sonntag in Berlin soll jetzt die Kehrtwende bringen. Die Delegierten sollen ihr Bundestagswahlprogramm beschließen - und Frank-Walter Steinmeier zujubeln.

Geplant war eine rote Selbstbeweihräucherung, ein Hochamt für Frank-Walter Steinmeier. Jetzt droht der SPD-Parteitag am Sonntag im Berliner Estrel-Hotel zu einer tristen Veranstaltung zu werden, auf der Wundenlecken und kollektive Trauerarbeit angesagt sind: Das Debakel bei der Europawahl und die Arcandor-Pleite schlagen sich für die SPD in desaströsen Umfragewerten nieder. Hundert Tage vor der Wahl stehen Partei und ihr Kanzlerkandidat mit dem Rücken zur Wand.

Also macht es die verängstigte SPD kurz und schmerzlos: Während die Grünen jüngst drei Tage lang über ihr Wahlprogramm diskutierten, kommen die Genossen nur sechs Stunden zusammen – große Programmdebatten soll es keine mehr geben. Forderungen der SPD-Linken nach Einführung der Vermögenssteuer hatte die Parteispitze bereits im Vorfeld abgeräumt.

Einsamer Höhepunkt des Parteitags soll nach dem Willen der Strategen die Rede Steinmeiers sein – er muss versuchen, die Seele der Sozialdemokratie zu streicheln und die Genossen wieder aufzubauen. Parteichef Franz Müntefering soll sich dagegen nur mit einem knappen Grußwort an die Delegierten wenden - auf keinen Fall soll er dem Kandidaten die Show stehlen.

Steinmeier werde polarisieren, kündigte Wahlkampfmanager Kajo Wasserhövel an: „Ab jetzt geht es um die Frage: Steinmeier oder Merkel. Wir werden personalisieren, zuspitzen und die Unterschiede zwischen der SPD und Schwarz-Gelb deutlich machen.“Dem Vernehmen nach haben seine Berater dem Vizekanzler aber davon abgeraten, zu heftige Attacken gegen den „Baron aus Bayern“ zu reiten – CSU-Wirtschaftsminister zu Guttenberg ist mittlerweile im Volk populärer als Steinmeier.

Im Politbarometer sackt die SPD bei der Stimmung um acht Punkte ab

Unterdessen misst nach dem ARD-Deutschlandtrend (AZ berichtete) jetzt auch das ZDF-Politbarometer einen dramatischen Absturz der SPD: Bei der Frage nach der politischen Stimmung verliert die Partei im Vergleich zu Ende Mai acht Punkte und landet nur noch bei 22 Prozent, während die Union zwei Punkte auf 40 Prozent zulegt. Schlecht sieht’s auch in der K-Frage aus: 58 Prozent wünschen sich Merkel als Kanzlerin, nur noch 29 Prozent Steinmeier – selbst unter SPD-Anhängern stehen nur 59 Prozent hinter ihrem Kandidaten.

Laut Juso-Chefin Franziska Drohsel hat die SPD „ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem“ in der Frage der sozialen Gerechtigkeit: „Die Menschen denken nicht mehr, dass sich mit uns ihre Lage verbessert.“ Der Parteilinke Björn Böhning setzt große Hoffnungen in den Berliner Parteitag und die Rede Steinmeiers: Das Treffen solle "eine Tankstelle für das Selbstbewusstsein der SPD" werden, sagte er der "FTD".

Ein neuer Machtkampf droht der Partei spätestens im Herbst, SPD-Vize Andrea Nahles stellte bereits indirekt den Anspruch von Parteichef Müntefering auf eine weitere Amtszeit infrage: „Wenn er kandidiert, finde ich das gut. Aber wir haben jetzt die Strecke bis zum 27.September in den Blick zu nehmen.“

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