Von wegen Neuanfang: Die Opposition der Abgehalfterten

Von wegen Neuanfang: Bei SPD und Grünen kapern Ex-Minister die Fraktionsspitzen, obwohl vor allem junge Grünen-Politiker laut nach personeller Erneuerung rufen.
von  Abendzeitung
Freude über ein Wahlergebnis sieht anders aus
Freude über ein Wahlergebnis sieht anders aus © dpa

Von wegen Neuanfang: Bei SPD und Grünen kapern Ex-Minister die Fraktionsspitzen, obwohl vor allem junge Grünen-Politiker laut nach personeller Erneuerung rufen.

BERLIN Parallel zu den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und FDP formiert sich auch die neue Opposition im Bundestag – allerdings ohne personelle Erneuerung oder Verjüngung. So hat der schwer abgemeierte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier (53) noch am Wahlabend im Handstreich die Führung der SPD-Fraktion für sich reklamiert – zähneknirschend stimmten 88 Prozent der Abgeordneten zwei Tage später zu.

„Es ist schon sehr verwunderlich, dass die, die erst am Wahlsonntag eine schallende Ohrfeige erhielten, nichts Eiligeres zu tun haben, als die Pöstchen wieder unter sich aufzuteilen“, empört sich Hessens Juso-Chef Björn Spanknebel über Steinmeier: Wer das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten für die SPD einfahre und sich sofort zum Oppositionsführer ausrufe, verkenne die Frustration und das Diskussionsbedürfnis der Mitglieder.

Gestern nun zogen die Grünen nach: Die 68 Abgeordneten wählten ihre Ex-Spitzenkandidaten Renate Künast (53) und Jürgen Trittin (55) zu Fraktionschefs, obwohl das Duo beide Wahlziele vergeigt hat: Weder konnten die Grünen Schwarz-Gelb verhindern, noch wurden sie drittstärkste Kraft. Intern regt sich seit Tagen massiver Widerstand gegen die graue Doppelspitze aus zwei Ex-Bundesministern der 2005 abgewählten Regierung Schröder-Fischer. Ausgerechnet die Partei, die von vielen unter 30-Jährigen gewählt worden ist, setzt auf die Köpfe von vorgestern.

Vor allem junge Grünen-Politiker rufen deswegen jetzt laut nach personeller Erneuerung. Bei der Besetzung der Fraktionsposten dürfe es nicht um „Solidarität zwischen Älteren“, sondern allein um Kompetenz gehen, sagt der Sprecher der Grünen Jugend, Max Löffler. Es gebe viele neue und fähige Köpfe in der Fraktion. Parteiratsmitglied Arvid Bell, einer der klügsten Köpfe der kommenden Grünen-Generation, sagt, es sei nicht glaubwürdig, wenn sich „wieder nur die alte rot-grüne Garde gegenseitig mit Posten versorgt“. Es gehe nicht nur um neue Gesichter, sondern um eine „neue politische Vision“.

Deutliche Worte findet auch Bayerns Grünen-Chef Dieter Janecek: „Der geordnete Generationenwechsel in der Bundestagsfraktion ist überfällig“, sagte er der AZ. „Wir können nicht glaubwürdig grünen Aufbruch signalisieren, wenn wir personell ausschließlich mit der rot-grünen Prätorianergarde von anno dazumal antreten."

Zur alten Schröder-Garde zählt auch Fritz Kuhn (54), den Trittin jetzt als Fraktionschef verdrängt hat. Als Entschädigung haben Trittin und Künast dem machtbewussten Schwaben einen Vizeposten versprochen – zugleich soll er Koordinator für Wirtschaft und Soziales werden. Just diesen Job möchte allerdings auch Gerhard Schick haben, der sich in der letzten Legislaturperiode als mediengewandter Finanzexperte einen Namen in Berlin gemacht hat. Schick ist erst 37 Jahre alt.jox

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.