Von #fedidwgugl bis Merkel-ABC: Der peinliche Social-Media-Wahlkampf der CDU
Berlin – Anfang des Monats sorgte die AfD für Kopfschütteln: "Burgunder statt Burka" oder "Neue Deutsche? Machen wir selber!" plakatierten die Rechtsaußen der deutschen Parteienlandschaft und zogen den offiziellen Straßenwahlkampf damit auf Stammtischniveau herunter. Aber auch jahrelange Wahlkampferfahrung schützt anscheinend nicht vor peinlichen Fehlgriffen, wie jetzt die CDU eindrucksvoll unterstreicht.
Jugendlich und hip sind wohl zwei Adjektive, die man eher nicht im Zusammenhang mit der Christlich Demokratischen Union Deutschlands verwendet. Um ein ebensolches Publikum trotzdem zu erreichen, setzt die derzeit stärkste Bundestagspartei im Wahlkampf 2017 verstärkt auf Social Media. Egal ob Facebook, Instagram oder Twitter – jeder Kanal wird rund um die Uhr bespielt. Damit das so richtig gut funktioniert, hat man sich sogar extra Profis an Bord geholt: Zwei Werbe-Veteranen der Agentur Jung von Matt sind für die Dauer des Wahlkampfs in die CDU-Zentrale gezogen, 14 weitere Agentur-Mitarbeiter werkeln von extern. Da überrascht es wenig, dass Agenturchef Jean-Remy von Matt bei der Präsentation des Teams eine Krawatte der Jungen Union trug.
Wenn aus Verbal-Diarrhoe ein Hashtag wird
Aber alles eingekaufte Know-how nützte nichts, die Vorstellung des offiziellen Wahlkampf-Slogans Mitte letzter Woche geriet zum Debakel. Die CDU wirbt ab sofort "Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben". Das klingt nicht nur unglaublich altbacken und langweilig, sondern ist auch schlecht Social-Media-tauglich, wie Generalsekretär Peter Tauber schnell feststellen musste. Er dampfte den Slogan auf einen Hashtag ein, also auf ein (sinnvoller Weise griffiges) Schlagwort, unter dem künftig alle Postings zu diesem Thema subsumiert werden sollen: #fedidwgugl
Die Reaktion der Netzgemeinde ließ nicht lange auf sich warten: "Jetzt hat die CDU ihr eigenes #covfefe" und "ist Tauber eingeschlafen und mit dem Kopf auf die Tastatur gekippt?" waren noch zwei der harmloseren Spott-Tweets. Man fragt sich, was Tauber und seine sogenannten Experten sich wohl dabei gedacht haben. Dass Stefan Raab mit SSDSDSSWEMUGABRTLAD ("Stefan sucht den Superstar, der singen soll, was er möchte und gerne auch bei RTL auftreten darf!") ja auch Erfolg hatte? Dass ein echter Merkel-Fan sich unausprechliche Worte gerne merkt, um seine Pro-Kanzlerin-Tweets damit aufzuhübschen? Dass sowieso alles besser ist, als der unsägliche #schulzzug?
Wie dem auch sei: Die Kampagne war so schlecht durchdacht, dass man sich am Ende sogar von der derzeit bundestagsfernen FDP ordentlich verspotten lassen musste. Die sicherte sich nämlich kurzerhand die Domain fedidwgugl.de (wie konnte die bitteschön noch frei sein?!?) und schreibt dort zusammen mit einem Link zu ihrem eigenen Wahlprogramm hämisch: "Liebe Union, überlasst das mit der Digitalisierung doch einfach denen, die davon Ahnung haben. Zum Beispiel den Freien Demokraten."
Deutschland - Land der Umgehungsstraßen und dichten Fenster
Aber noch schlimmer als das #fedidwgugl-Debakel ist die Erkenntnis, dass die CDU daraus nichts gelernt hat. Am Samstag veröffentlichte sie "Merkels Deutschland von A bis Z", eine ebenso willkürliche wie irritierende Aneinanderreihung von Begriffen, die angeblich Deutschland charakterisieren. "Artikel 1 Absatz 1 unseres Grundgesetzes" ("Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.") für den Buchstaben A klingt eigentlich nach einem vielversprechenden Anfang, doch schon danach folgt Ernüchterung. Denn in Merkels Deutschland-ABC steht B für "Butterbrot", D für "Dichte Fenster" oder G für "Gardine". Und Bayern spielt wie immer eine Sonderrolle, denn es taucht als einziges Bundesland auf – vermutlich aber auch nur, weil dem Team einfach kein anderes Wort mit einem Y einfiel...
Ebenso wenig kreativ ist ein Video, das einige Stunden später auf der Facebook-Seite der CDU gepostet wurde. Dort hat man einfach mehrere Schulz-Reden zusammengeschnitten, sodass der SPD-Kanzlerkandidat zigmal "ich" sagt und am Schluss eine reingeschnittene Bundeskanzlerin Angela Merkel oberlehrerhaft mit "wir" kontern darf. Das ist so plump, dass sogar die "Bikini-statt-Burka"-Mädels der AfD geistreich wirken. Naja, zumindest fast.
Ach ja, Stichwort "Bikini"... Weniger Sexismus als die AfD schafft die CDU auch nicht:
Und so bleiben am Ende kein Slogan und keine Botschaft in Erinnerung, sondern lediglich die Erkenntnis, dass Wahlkampf in Deutschland ein Trauerspiel ist – völlig egal, ob ihn Neulinge oder Veteranen veranstalten.
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