Von der Leyen erzürnt die FDP

Die FDP hat Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) davor gewarnt, mit ihrem Vorgehen gegen Niedrigrenten einen Bruch der schwarz-gelben Koalition zu provozieren.
von  dpa

Berlin - Führende FDP-Politiker warfen ihr am Montag in Berlin vor, mit ihrem Angebot an die SPD für Gespräche über einen Rentenkonsens rote Linien zu überschreiten. Zugleich dämpfte die SPD-Spitze Hoffnungen auf eine Einigung. Altersarmut könne nur durch gerechte Löhne verhindert werden, nötig seien daher Mindestlöhne, so SPD-Chef Sigmar Gabriel.

"Die Lockerungsübungen von Frau von der Leyen sind die Vorbereitungen auf eine Kanzlerschaft in einer großen Koalition", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel. Generalsekretär Patrick Döring betonte: Wechselnde Mehrheiten seien ausgeschlossen, das wisse jeder in der Koalition. "Ich bin sicher, dass das auch in Rentenentscheidungen so gehandhabt wird", sagte Döring.

Weil das Rentenniveau bis zum Jahr 2030 von 51 auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns sinken soll, droht vielen Menschen in Deutschland Altersarmut. Von der Leyen will daher eine aus den Beiträgen der Rentenversicherten finanzierte Zuschussrente, damit Menschen die 35 Jahre lang rund 2500 Euro verdient und entsprechende Summen eingezahlt haben, nicht auf das Niveau der Sozialhilfe abstürzen. Allerdings stößt sie damit auf Widerstand selbst in der Union. Die Partei will ihren Streit möglichst zügig beilegen und peilt eine Grundsatzentscheidung für den Herbst an.

Die SPD will laut ihrem neuen Rentenkonzept für langjährig Beschäftigte eine mit Steuermitteln aufgestockte Solidarrente von 850 Euro - von der Leyen hatte das Konzept gelobt und Gespräche angeboten. Auch die Grünen zielen in eine ähnliche Richtung. "Wir wollen eine steuerfinanzierte Garantierente", sagte Parteichefin Claudia Roth. Auch Beamte und Selbstständige sollten einzahlen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht wegen der Uneinigkeit in der Union und inhaltlicher Differenzen aber derzeit keine Basis für einen Renten-Konsens zwischen Regierung und Opposition. "Es kann keine Solidarrente ohne Mindestlohn geben", sagte Gabriel am Montag in Berlin nach Beratungen des Parteivorstands. Dies sei der wesentliche Unterschied zum Konzept von der Leyens, sagte der SPD-Vorsitzende.

Es dürfe im Erwerbsleben nicht mehr zu so geringen Verdiensten kommen, dass mit Renteneintritt Altersarmut drohe. "Der Vorschlag von Frau von der Leyen ist allein schon deshalb eine mittlere Katastrophe, weil er davon ausgeht, dass der Anteil derjenigen, die trotz Arbeit arm bleiben, weiter ungebremst anwächst", so Gabriel.

Unterstützung bekam Gabriel für seine Argumentation indirekt vom Statistischen Bundesamt. Nach neuen Zahlen arbeitet in Deutschland ein Fünftel der Beschäftigten (20,6 Prozent) zu Niedriglöhnen. Die Niedriglohngrenze lag 2010 bei 10,36 Euro brutto in der Stunde. "Niedriglohn heute bedeutet niedrige Rente morgen", sagte der Präsident des Statistischen Bundesamtes, Roderich Egeler. 2006 habe die Zahl der Niedriglohnbeschäftigten noch bei 18,7 Prozent gelegen. Niedriglöhne werden vor allem im Taxigewerbe, in Friseur- und Kosmetiksalons, im Reinigungsgewerbe und in der Gastronomie gezahlt.

Gabriel sagte, Frau von der Leyen verstehe offenbar nicht, dass es Altersarmut nur wegen einer Erwerbsarmut gebe. Wer diese nicht rechtzeitig bekämpfe, sorge dafür, dass die Kosten zur Bekämpfung der Altersarmut immer höher werden. Der Parteivorsitzende betonte, neben flächendeckenden Mindestlöhnen müsse es auch um faire Bedingungen bei Leih- und Zeitarbeit gehen. Die Union sei in dieser Frage derzeit nicht geschäftsfähig, weil unklar sei, wie die Parteilinie sei.

Der SPD-Vorstand soll das Konzept wahrscheinlich am 24. September absegnen, damit es ein kleiner Parteitag im November endgültig beschließen kann. Im vergangenen Jahr hatte sich der Bundesparteitag in dieser Frage nicht einigen können, daher war eine Kommission zur Lösung der Rentenfrage eingesetzt worden, die ein Hauptstreitthema ist. Die Parteilinke wollte eine Rückkehr zum Rentenniveau von 51 Prozent. Gabriel beziffert die Kosten durch Steuerzuschüsse für die Solidarrente auf bis zu 6,5 Milliarden Euro jährlich.

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