Von der Leyen empfindet Vorgehen in Butscha als Kriegsverbrechen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich nach ihrem Besuch in Butscha erschüttert über das Vorgehen der russischen Armee dort gezeigt. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet nach einem Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk mit mehr als 50 Toten eine entschiedene Antwort der internationalen Gemeinschaft.
AZ/dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
5  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Butscha: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Mitte) betrachtet gemeinsam mit Josep Borrell (Mitte, rechts), Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, und Denys Schmyhal (Zweiter von rechts), Premierminister der Ukraine, abgedeckte Leichen getöteter Zivilisten.
Butscha: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission (Mitte) betrachtet gemeinsam mit Josep Borrell (Mitte, rechts), Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, und Denys Schmyhal (Zweiter von rechts), Premierminister der Ukraine, abgedeckte Leichen getöteter Zivilisten. © Efrem Lukatsky/AP/dpa

Kiew - EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich nach ihrem Besuch in dem Kiewer Vorort Butscha erschüttert über das Vorgehen der russischen Armee dort gezeigt.

"Mein Instinkt sagt: Wenn das kein Kriegsverbrechen ist, was ist dann ein Kriegsverbrechen? Aber ich bin eine gelernte Ärztin und das müssen nun Juristen sorgfältig ermitteln", sagte sie am Samstagmorgen auf der Rückreise von Kiew nach Polen vor Journalisten.

Von der Leyen kehrte nach ihrem eintägigen Besuch im ukrainischen Kriegsgebiet am Samstag sicher nach Polen zurück. Am Nachmittag wollte sie in Warschau an einer Geberkonferenz für die Ukraine teilnehmen.

Von der Leyen: "Menschen wurden im Vorbeigehen getötet"

Die EU-Kommissionspräsidentin hatte in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen und sich ein Bild von der Lage in Butscha gemacht, wo derzeit Untersuchungen zu Kriegsverbrechen der russischen Armee laufen. Am vergangenen Wochenende waren dort zahlreiche Leichen ermordeter Zivilisten gefunden worden, teils gefesselt am Straßenrand.

Von der Leyen machte sich in Butscha ein Bild von der Exhumierung von 20 Leichen aus einem Massengrab. Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal, der sie nach Butscha begleitet hat, habe ihr Fotos von den Gräueln gezeigt, sagte von der Leyen. "Menschen wurden im Vorbeigehen getötet", sagte sie dazu. "Wir konnten auch mit unseren eigenen Augen sehen, dass die Zerstörung in der Stadt in das zivile Leben zielte. Wohnhäuser sind keine militärischen Ziele."

Von der Leyen sagte, dass die EU sich nun an den Ermittlungen der Ukrainer in einem gemeinsamen Team beteilige. "Denn es ist extrem wichtig, dass alles gut dokumentiert ist, um Niederlagen vor Gericht zu verhindern, weil die Beweise nicht gut genug sind." Ukrainer und Experten aus den Mitgliedstaaten würden hier zusammenarbeiten, in Verbindung mit dem internationalen Strafgerichtshof.

Ukraine fordert vollständiges Energieembargo

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet nach einem Angriff auf den Bahnhof in Kramatorsk mit mehr als 50 Toten eine entschiedene Antwort der internationalen Gemeinschaft.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Videobotschaft.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj während einer Videobotschaft. © Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Er forderte ein vollständiges Embargo auf russisches Öl und Erdgas. Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums versuchen die russischen Streitkräfte ihre Einheiten nach Verlusten im Norden der Ukraine wieder aufzubauen.

Zehntausende Reservisten könnten für den Einsatz im Osten des Landes mobilisiert werden. Selenskyj sagte in einer Videobotschaft am späten Freitagabend, es seien die Energieexporte, die den Löwenanteil der Profite Russlands ausmachten. Sie ließen die russische Führung glauben, dass die Welt die "Kriegsverbrechen" der russischen Armee ignorieren werde. Auch die russischen Banken müssten vollständig vom globalen Finanzsystem abgekoppelt werden.

Nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums sind die russischen Streitkräfte für den tödlichen Raketenangriff auf den Bahnhof in Kramatorsk verantwortlich. Bei diesem kamen ukrainischen Angaben zufolge 52 Menschen ums Leben, 109 wurden verletzt. Russlands offizielle Dementis in dieser Sache seien "nicht überzeugend", sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Washington: Russisches Militär füllt geschwächte Einheiten wieder auf

Die russischen Streitkräfte bemühen sich nach Ansicht des US-Verteidigungsministeriums, ihre Einheiten nach Verlusten im Norden der Ukraine mit neuem Material und Soldaten wieder aufzubauen.

Es gebe auch Berichte, wonach die Einheiten, die nun im Osten der Ukraine eingesetzt werden sollten, durch das Mobilisieren "Zehntausender Reservisten" verstärkt werden sollten, sagte Pentagon-Sprecher Kirby. Er warnte, die Russen hätten trotz ihrer Verluste immer noch den Großteil ihrer in der Region gebündelten Schlagkraft für den Krieg zur Verfügung. Zudem werde sich das russische Militär nun wohl auf den geografisch deutlich kleineren Bereich des östlichen Donbass konzentrieren.

Washington sieht Bündelung russischer Einheiten nahe Charkiw

Nach Angaben eines führenden Vertreters des Pentagon hat Russland bereits Tausende zusätzliche Soldaten nahe der Grenze zur ukrainischen Stadt Charkiw zusammengezogen. Die Zahl der taktischen Bataillone in der Nähe der russischen Stadt Belgorod sei von 30 auf inzwischen 40 angestiegen. Solche Bataillone bestehen typischerweise aus etwa 600 bis 1.000 Soldaten.

Der leitende Beamte des Ministeriums sagte, es gebe Hinweise, dass die Russen hofften, "mehr als 60.000 Soldaten" zu mobilisieren. Im Donbass sei mit sehr intensiven Kämpfen zu rechnen. "Das könnte sehr blutig und sehr hässlich werden", sagte er.

Ukrainische Ombudsfrau berichtet von Vergewaltigungen Minderjähriger

Die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denissowa, hat russischen Soldaten Vergewaltigungen Minderjähriger vorgeworfen. Ein 14 Jahre altes Mädchen aus dem Kiewer Vorort Butscha sei von fünf verschiedenen Männern missbraucht worden und jetzt schwanger, schrieb Denissowa auf Facebook.

Auch ein ebenfalls aus Butscha stammender elfjähriger Junge sei vergewaltigt worden. Die Angaben konnten zunächst nicht überprüft werden. Denissowa appellierte an die Vereinten Nationen, diese und andere Kriegsverbrechen zu untersuchen.

Lesen Sie auch

Lesen Sie auch

Selenskyj will rasch Fragebogen zu EU-Beitritt beantworten

Die Ukraine will binnen einer Woche einen Fragebogen der Europäischen Union beantworten, der als Grundlage für Beitrittsgespräche dient. Diesen hatte EU-Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen am Freitag bei ihrem Besuch in Kiew Selenskyj überreicht. "Unsere Regierung wird die Antworten qualitativ und sehr schnell vorbereiten. Ich denke, binnen einer Woche»" sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

USA machen Weg frei für höhere Zölle auf russische Waren

Die US-Regierung kann künftig höhere Zölle auf importierte Waren aus Russland und Belarus erheben. US-Präsident Joe Biden setzte mit seiner Unterschrift ein vom Kongress beschlossenes Gesetz in Kraft, mit dem die normalen Handelsbeziehungen zu den beiden Ländern ausgesetzt werden. Zudem unterzeichnete Biden auch ein Gesetz, das den Import von russischem Öl verbietet.

Russland verbietet Arbeit parteinaher deutscher Stiftungen

Russland hat die Arbeit mehrerer parteinaher deutscher Stiftungen und internationaler Menschenrechtsorganisationen verboten. Die Registrierung entzogen worden sei etwa der Heinrich-Böll-Stiftung, der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Friedrich-Naumann-Stiftung, teilte das Justizministerium in Moskau mit.

Auch die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch sowie neun weitere Nichtregierungsorganisationen sind wegen angeblicher "Verstöße gegen die geltende Gesetzgebung der Russischen Föderation" betroffen.

UN-Organisationen fordern Hilfe für in Ukraine gestrandete Seeleute

Zwei Organisationen der Vereinten Nationen haben Hilfe für rund 1.000 in ukrainischen Gewässern auf Handelsschiffen festsitzende Seeleute gefordert. Die Weltschifffahrtsorganisation IMO und die UN-Arbeitsorganisation ILO baten das Internationale Komitee des Roten Kreuzes, Ärzte ohne Grenzen und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die 86 dort gemeldeten Schiffe mit lebensnotwendigen Gütern für ihre Seeleute zu versorgen, wie es in einer gemeinsamen Mitteilung hieß.

Das wird am Samstag wichtig

In Polen findet am Samstag eine internationale Geberkonferenz statt, um Geld für Flüchtlinge aus der Ukraine und Vertriebene innerhalb des Landes zu sammeln. Einberufen wurde die Veranstaltung von der Nichtregierungsorganisation Global Citizen, der EU-Kommission und der kanadischen Regierung.

Die Gelder sollen unter anderem an Programme der Vereinten Nationen und örtliche Hilfsinitiativen gehen. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer wird in Kiew zu einem Solidaritätsbesuch erwartet. Er soll Präsident Selenskyj, Premierminister Denys Schmyhal und Bürgermeister Vitali Klitschko treffen.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
5 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Himbeergselchts am 09.04.2022 19:15 Uhr / Bewertung:

    Das ist nicht nur das Empfinden von vd Leyen.
    Das sind Fakten. Seit Jaaahren übelste Morde und Menschenrechtsverletzungen (Ermordungen auf den Straßen, vergifteter Tee) durch Putins Schergen an Regimekritikern.
    Jetzt die übelsten Kriegsverbrechen seit 1939-45 und Srebrenica in Europa.
    Gefolterte Menschen, ermordete Zivilisten, Kinder, zertrümmerte Kliniken, Kitas und Schulen.
    Stoppen wir Putin so es nur geht. Das bedeutet auch Verzicht.

  • BBk am 09.04.2022 17:14 Uhr / Bewertung:

    Toll diese Ursula von der Leyen kaum sieht sie persönlich willkürlich abgeschlachtete Zivilisten in ihrem Blut auf der Straße liegen, da kommt ihr schon der Gedanke das könnte ein Kriegsverbrechen sein - Hochachtung

  • sunny1 am 10.04.2022 00:18 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von BBk

    BBK sollte sich schämen .. Angesichts der schrecklichen Situation dass ein 180 Millionen Volk ein unschuldiges und freiheitsliebendes 40 Millionen Volk versklaven und abschlachten will. Gesteuert von einem Kriegsverbrecher übelster und kriminellster Sorte. Die unzähligen toten ukrainischen Kinder werden sie sicher im Schlaf besuchen und ob sich hierfür die 50 Rubel Trollgeld rentieren möchte ich bezweifeln.

    Achja Trolle ist ein Thema aber viel schlimmer ist dass unsere Bundesregierung Blutgas an den Kremlverbrecher bezahlt und gleichlaufend die Hilfe von Rheinmetall zur Zerstörung der russischen Kriminellenarmee ablehnt... Hier kann man nur Dauerkotzen... Was für ein unethisches und russenfreundliches Verhalten in meinen Augen. Man muss auch in diesem Krieg sich wieder schämen ein Deutscher zu sein.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.