Von Apollo bis New Deal

Mehr denn je werde derzeit überall über grüne Themen gesprochen, warb der scheidende Grünen-Chef Reinhard Bütikofer auf dem Parteitag in Erfurt. Selbst der UN-Generalsekretär fordere grünes Wirtschaften. Wie die Grünen versuchen, wieder in die Offensive zu kommen
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Verdrückte ein Tränchen beim Abgang: Reinhard Bütikofer, getröstet von Grünen-Chefin Claudia Roth.
dpa Verdrückte ein Tränchen beim Abgang: Reinhard Bütikofer, getröstet von Grünen-Chefin Claudia Roth.

ERFURT - Mehr denn je werde derzeit überall über grüne Themen gesprochen, warb der scheidende Grünen-Chef Reinhard Bütikofer auf dem Parteitag in Erfurt. Selbst der UN-Generalsekretär fordere grünes Wirtschaften. Wie die Grünen versuchen, wieder in die Offensive zu kommen

Um 19.15 Uhr geht Reinhard Bütikofer langsam von der Bühne der Messehalle 1 in Erfurt. Er ist nassgeschwitzt, ausgepowert – und erleichtert. „Jetzt hab ich es hinter mir“, sagt der Grünen-Chef zur AZ. Gerade hat der Kurpfälzer seine letzte Rede als Vorsitzender gehalten – eine kluge, auch selbstkritische Rede mit rotem Faden und realpolitischer Botschaft.

Er hat seinen Grünen einen Aufbruch empfohlen, ihnen sozusagen liebevoll in den Hintern getreten. Bütikofer plädierte dafür, „in den Clinch zu gehen“ mit der Autobranche, mit der Bundesregierung, mit der Atomlobby. Mehr denn je werde derzeit über grüne Themen gesprochen, selbst der UN-Generalsekretär fordere grünes Wirtschaften. Also sei es höchste Zeit für einen „grünen New Deal“ innerhalb der Gesellschaft. Bütikofer: „Diejenigen, die auf Grün hoffen, sind viel mehr, als uns jemals gewählt haben.“

Bei den Promis, den Trittins, Künasts und Kuhns, regt sich kaum Applaus. Sie hören nicht mal richtig zu, tippen gelangweilt auf ihren Handys herum. Erst als der Mann, der sich jahrelang für seine Grünen aufgerieben hat, zum Schluss ein leises „Macht’s gut“ sagt, zwingt sich auch der Funktionärsadel zu Standing ovations. Die Partei hat Bütikofer geachtet, aber nicht geliebt. Doch das mit dem Lieben ist bei den notorisch skeptischen Grünen sowieso nicht einfach.

Özdemir zieht den Basis-Look vor

Jetzt muss Cem Özdemir um die Gunst der Ökos buhlen. Der anatolische Schwabe, der am Samstag zum Co-Vorsitzenden neben Claudia Roth gewählt werden will, hat sich in den Basis-Look geschmissen: verwaschene Jeans, weißes T-Shirt, hellblaues Hemd und ein Sozialkundelehrer-Sakko. Nur seine zuletzt arg wilden Koteletten hat Özdemir adrett zurechtgestutzt.

Aus der Debatte um Klimaschutz und Energiepolitik hält sich der 42-Jährige heraus, man ist sich ja einig: Kohlekraftwerke sind böse, Kernkraftwerke erst recht und Gaskraftwerke ein bisschen. Der energiepolitische Sprecher der Fraktion, Hans-Josef Fell, plädiert für eine „Apollo-Energie-Politik“: So wie US-Präsident Kennedy 1961 mit seinem Ziel, binnen zehn Jahren auf dem Mond zu landen, eine Begeisterungswelle auslöste und es dann in nur acht Jahren schaffte, will Fell seine Vision verwirklichen: bis 2030 hundert Prozent des deutschen Stroms mit erneuerbaren Energien zu erzeugen.

Es gab am Freitag in Erfurt aber etwas, für das sich selbst die Grünen noch mehr begeistern konnten als für erneuerbare Energien: die „CubaBoarischen“ nämlich, die Bayerns Ober-Grüne Sepp Daxenberger, Theresia Schopper und Margarete Bause als Dank für den erfolgreichen Wahlkampf mit dem Defiliermarsch auf die Bühne geleiten. Als die Band dann auch noch heiße Salsa-Rhythmen spielt, begann sogar der aalglatt-gegelte Phoenix-Interviewer zuckend zu tanzen.

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