Interview

"Viele politikwissenschaftliche Begriffe werden falsch verwendet": Ein Podcast will dagegen angehen

Clio Sailer will den Hörern ihres Podcasts "Powileaks" Politik kurz und knapp verständlich machen. In einer Viertelstunde stecken oft drei Tage Arbeit.
von  Natascha Probst
Viele politikwissenschaftliche Begriffe würden falsch verwendet, sagt Clio Sailer. Dagegen wollte sie etwas unternehmen und gründete ihren Podcast "Powileaks".
Viele politikwissenschaftliche Begriffe würden falsch verwendet, sagt Clio Sailer. Dagegen wollte sie etwas unternehmen und gründete ihren Podcast "Powileaks". © privat

"Wenn alle den gleichen Wissensstand haben, kann man besser diskutieren", sagt Clio Sailer. Die 26-Jährige studiert Politikwissenschaft im Master an der LMU München. In ihrem Podcast "Powileaks" geht sie seit Anfang 2023 politikwissenschaftlichen Themen auf den Grund.

AZ: Frau Sailer, wieso braucht es einen Politikwissenschaftspodcast?
CLIO SAILER: Mir ist aufgefallen, dass viele politikwissenschaftliche Begriffe falsch verwendet werden. Da dachte ich mir, es wäre ganz gut, Politik mal einfach zu erklären. Also zum Beispiel wie Prozesse im politischen System ablaufen. Wenn alle den gleichen Wissensstand haben, kann man besser diskutieren. Ich möchte darauf hinwirken, dass wir Demokraten mehr miteinander als übereinander sprechen.

Was ist für Sie der Inbegriff von Demokratie?
Die Meinung der Mehrheit wertschätzen und gleichzeitig Minderheiten schützen. Das macht für mich die liberale Demokratie aus.

Weiß die Jugend – also Ihre Hauptzielgruppe – Demokratie noch zu schätzen?
Ich glaube schon. Ich glaube nur, dass die Jugend für die Gefahren, die einer Demokratie drohen können, zu wenig sensibilisiert ist.

Sie beschäftigen sich in Ihrem Politikwissenschafts-Podcast mit Sahra Wagenknechts neuer Partei, klären die Frage, was ein Politikwissenschaftler eigentlich macht oder erzählen von Hannah Arendt. Wo entstehen die Ideen für neue Folgen? Im Hörsaal oder doch eher zu Hause in der Freizeit?
Es ist ganz unterschiedlich, wie ich auf Themen komme. Ich überlege mir, was spannend sein könnte und worüber die Leute noch nicht so viel wissen. Ich will ihnen ja immer etwas Neues mit auf dem Weg geben – und nicht etwas erzählen, was sie schon zwanzig Mal gehört haben. Deswegen sind das meistens Sachen, die mir im Studium begegnen – wie Hannah Arendt. Es sind aber auch Dinge, die aktuell die Debatte anheizen – wie Sahra Wagenknecht.

Wie viel Zeitaufwand steckt in einer Folge?
Ungefähr zwei bis drei Acht-Stunden-Arbeitstage. Manche Folgen sind aber auch recht schnell fertig, das sind meist die, die nur so zehn bis zwölf Minuten dauern.

Für unter zehn Minuten muss man keine Podcast-Folge machen

Die meisten Folgen dauern rund eine Viertelstunde – ist das das Limit, das Sie Ihren Hörern an politischer Bildung zumuten wollen?
Es ist nicht so, dass ich ein bestimmtes Limit habe. Ich fange einfach an zu recherchieren und merke irgendwann, dass das Thema nun abgerundet und ein kompaktes Informationspaket ist. Oft sind das um die 15 Minuten, ich hatte aber auch schon mal 26 Minuten. Allerdings habe ich ein Minimum - für unter zehn Minuten muss man keine Podcast-Folge machen.

Wie alt sind Ihre Hörer?
Das ist sehr divers. Ich habe Leute, die sind zwischen 20 und 25. Dann hab ich einige Ende 20, Anfang 30. Es gibt aber auch Hörer um die 50. Hauptsächlich aber jüngere Menschen.

Laut der Studie "Jugend in Deutschland 2024" würden immer mehr der unter 30-Jährigen die AfD wählen. Überrascht Sie das?
Eigentlich nicht, die AfD hat in den Umfragen ja generell deutlich zugelegt. Man denkt immer, dass junge Leute grundsätzlich weltoffener sind als ältere Menschen. Die jüngere Generation hat aber immer weniger davon mitbekommen, dass das Land, in dem wir leben, nicht selbstverständlich ist - und auch unsere Verfassung nicht. Und sie vergisst vielleicht manchmal, dass eine Partei wie die AfD das gefährden könnte.

Glauben Sie, dass junge Menschen sich nicht mehr von der Politik repräsentiert fühlen?
Ich glaube nicht, dass es ein Repräsentationsproblem ist, eher ein Kommunikationsproblem. Viele Parteien erklären nicht mehr, warum sie die Dinge so machen, wie sie sie machen. Viele junge Menschen würden sich wahrscheinlich mehr abgeholt fühlen, wenn die Parteien ihren Standpunkt besser erklären würden.

Auch andere Parteien sollten das tun

Kann Social Media dabei helfen?
Social Media ist schwierig, gerade was politische Inhalte angeht. Jeder kann hier sagen, was er möchte. Ich selbst bin nicht auf Tiktok unterwegs, aber ich weiß, dass die AfD das ist und dort gerade die Jüngeren anspricht. Deswegen würde ich sagen, dass andere Parteien das auch tun sollten.

Würden Sie sagen, dass der Politikunterricht an Schulen derzeit ausreicht? Oder braucht es zusätzlich Formate wie Podcasts?
Mein Politikunterricht ist schon länger her, aber so wie ich mich erinnere, müsste man ihn schon ausbauen. Wir hatten nur ein Mal in der Woche Sozialkunde – das könnte mehr sein.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.