Verwirrung über Störfall in Slowenien
Störfall, Zwischenfall, Unfall? Nach dem am Mittwochabend ausgelösten europaweiten Atomalarm rätseln Politiker und Umweltorganisationen, wie es zu der Warnung kommen konnte - und ob im Kernkraftwerk Krsko womöglich doch mehr passierte, als die Betreiber bislang einräumen.
Nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace darf der Vorfall im slowenischen Krsko trotz der raschen Entwarnung nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Man sei «noch nicht auf der sicheren Seite», sagte Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital am Donnerstag. «Ein Leck im Primär-Kühlkreislauf ist sehr kritisch». Dabei gehe es weniger darum, ob radioaktives Wasser austrete, sondern ob man den Reaktorkern weiter kühlen könne. Unmittelbar nach dem Abschalten sei «die Hitze so hoch, dass es zur Kernschmelze kommen kann.» Ein zweites Tschernobyl wäre die Folge. In Krsko würden jetzt offenbar «Abwehrmaßnahmen und Notfallhandlungen» durchgeführt. Smital betonte aber, dass nach seinem derzeitigen Kenntnisstand für Deutschland «keinerlei Gefahr» bestehe. Der Greenpeace-Mann geht dennoch davon aus, dass dies ein «sehr kritischer Fall» sei, der berechtigt zu einer europaweiten Warnung geführt habe, aber «sozusagen in letzter Sekunde» beherrscht worden sei. Was genau in dem Meiler geschehen ist, würden erst «wochenlange Analysen zeigen.»
Umweltminister Gabriel wiegelt ab
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel will den Ball flach halten: «Ich habe keinen Anlass, der slowenischen Regierung zu misstrauen, die das unter Kontrolle gebracht und gesagt hat, dass es nicht zu einem Austritt von Radioaktivität gekommen ist», sagte er am Donnerstag am Rande eines Treffen der EU-Umweltminister in Luxemburg. «Insofern gehe ich davon aus, dass dies ein Problem ist, das in diesem Reaktor bewältigt werden muss und jedenfalls Deutschland nicht betrifft.» Sein Ministerium habe nach dem Alarm vorsichtshalber den meteorologischen Dienst informiert und «unser Lagezentrum in Bonn hochgefahren», so Gabriel. Die Mitteilung der EU sei «ein Alarm, der dann ausgelöst werden soll, wenn es zu grenzüberschreitender «Radioaktivität kommt». Wie es zu dem Alarm gekommen sei, müsse noch genau geklärt werden.
Durcheinander in Slowenien
Sloweniens Umweltminister Janez Pubodnik vermutet, dass das Atomkraftwerk schon bald wieder funktionieren wird. «Es ist nur eine sehr kleine Reparatur nötig», sagte er am Donnerstag. «Es gab keinen Unfall, sondern nur einen geringfügigen Austritt von Wasser. Die Lage ist völlig unter Kontrolle, und es gibt keine Auswirkungen auf die Umwelt», so Pubodnik. «Deshalb gab es auch keinen Anlass für Schutzmaßnahmen.» Er wies darauf hin, dass sich die slowenische Atombehörde bereits dafür entschuldigt habe, dass sie gegenüber dem Nachbarland Österreich zunächst von einer Übung gesprochen hatte: Man habe versehentlich «ein falsches Formular benutzt». Oder auch nicht? Denn inzwischen räumte Marjan Tkavc ein, Leiter des slowenischen Amtes für Atomschutz, dass bei der Benachrichtigung Österreichs kein falsches Formular benutzt wurde. Vielmehr sei auf dem einzigen für solche Fälle vorgesehenen Formular das Wort «Übung» nicht gestrichen worden. Fehler habe man auch bei der Alarmierung der EU über den Zwischenfall gemacht. Laut Tkavc hatte die Behörde den Vorfall «vorschnell als sehr gefährlich eingestuft», als sie am Frühwarnsystem die anderen EU-Mitglieder informierte. Diese «vorschnelle Reaktion» sei durch die Einzigartigkeit des Problems im Kraftwerk zu erklären, sagt Tkavc. «Es war das erste Mal überhaupt, dass wir vom AKW über einen Störfall im primären Kühlsystem des Meilers unterrichtet wurden.» Dies sei auch ein international selten auftretendes Problem, deshalb schien die Besorgnis zunächst berechtigt. Als klar gewesen sei, dass das Problem unter Kontrolle sei, habe man Ecurie «mündlich über die Entwarnung informiert».
Auch IAEA wurde informiert
Gleichwohl hatte Slowenien auch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) am frühen Mittwochabend über den Zwischenfall informiert. Dabei stellten die Verantwortlichen klar, dass es sich um ein «ungewöhnliches Ereignis» gehandelt habe. Dies ist die niedrigste von vier Alarmstufen der slowenischen Atomsicherheitsbehörde SNSA. Nach Angaben der SNSA hatten Techniker das Leck im Kühlsystem des Reaktors bereits gegen 15 Uhr Ortszeit entdeckt. Daraufhin sei der Reaktor heruntergefahren worden. Dieser Vorgang sei um 21.30 Uhr abgeschlossen worden. Auf Bitten der Sicherheitsbehörde habe das Interventionszentrum der IAEA anschließend die Nachbarländer Österreich, Kroatien, Ungarn und Italien informiert. Außerdem wurden die entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet, sagte ein IAEA-Sprecher am Donnerstagmorgen. (nz/dpa/AP)