Verwandtenaffäre: Fiasko für Seehofer
München - Krachende Niederlage für Horst Seehofer: Der Ministerpräsident hat in der Verwandtenaffäre gegen die bayerische Verfassung verstoßen. Die Staatsregierung muss nun unter anderem beantworten, wie viel Geld die fünf Kabinettsmitglieder, die in den Skandal verwickelt waren, ihren Ehefrauen und Verwandten gezahlt und was sie an die Staatskasse zurücküberwiesen haben. Das entschied gestern der Bayerische Verfassungsgerichtshof. Damit aber nicht genug. Bayerns oberste Richter schreiben Seehofer und seinen Kabinettsmitgliedern auch ins Stammbuch, dass sie sich nicht nur nach dem Gesetz, sondern auch integer verhalten müssen.
„Eine geradezu historische Feststellung“, jubelt SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher. „Ein Paukenschlag. Mit Donnerhall hat das Gericht die Staatsregierung in die Schranken gewiesen.“ Das Auskunftsrecht der Abgeordneten sei gestärkt worden. Er erwartet nun eine „unverzügliche Beantwortung“. Geklagt hatte die SPD, weil die Staatsregierung eine Antwort verweigert hatte auf ihre parlamentarischen Anfragen im Landtag.
Was besonders bitter für Seehofer & Co. sein dürfte: Die Verfassungsrichter stellen mit ihrer Entscheidung höchste Anforderungen an die Kabinettsmitglieder. Nur gesetzestreu zu sein, reicht nicht! Ihnen obliege eine gesteigerte Sorgfaltspflicht im Umgang mit öffentlichen Mitteln, die noch über die eines „einfachen“ Abgeordneten hinausgehe, heißt es. Es sei daher zu erwarten, dass Kabinettsmitglieder gerade bei Ausgaben in eigener Sache zulasten der Staatskasse besondere Sorgfalt walten lassen. „Fehlt es an einem dieser Vorbildfunktionen gerecht werdenden Verhalten, kann dies Folgen im Hinblick auf die Eignung für das Regierungsamt haben, das in besonderem Maß persönliche Integrität voraussetzt“, so die Verfassungsrichter.
Auch das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“, auf das sich Seehofer und Landtagspräsidentin Barbara Stamm in der Verwandtenaffäre berufen haben, lassen sie nicht gelten: „Bei den betroffenen Politikern handelt es sich um Personen, die aufgrund ihrer Wahl zu Abgeordneten und der Ernennung zum Regierungsmitglied ohnehin in der Öffentlichkeit stehen. Die Verhaltensweisen, auf die sich die Anfragen beziehen, sind nicht dem privaten, sondern dem beruflichen Bereich zuzuordnen.“ Insoweit müssten die Kabinettsmitglieder und ihre Angehörigen damit rechen, die Aufmerksamkeit des die Landesregierung kontrollierenden Parlaments zu finden.
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Seehofer hatte damals angeordnet, dass seine Kabinettsmitglieder den Lohn, den sie ihren Frauen gezahlt haben, seit sie in der Regierung sitzen, an die Staatskasse zurücküberweisen müssen. Vor der Wahl wollte er sich als Aufklärer geben. Die SPD aber ließ er mit ihren Anfragen auflaufen: Die würden die Kabinettsmitglieder in ihrer Funktion als Abgeordnete betreffen, deshalb sei die Staatskanzlei nicht zuständig. Damit habe sie die parlamentarischen Rechte der SPD verletzt, so die Richter. Die Staatskanzlei sei „zur Antwort verpflichtet“.
Die ergreift nun die Flucht nach vorne und will schnell aufklären. Kabinettsmitglieder müssen ihr alle Zahlen nennen.
Die fünf Familienunternehmer im Kabinett
Zwei Minister und drei Staatssekretäre betrieben ein Familienunternehmen. Bildungsminister Ludwig Spaenle räumte als Erster
ein, dass er seine Frau auf Staatskosten beschäftigt. Er kündigte ihr sofort, bedauerte den Fehler und erklärte, dass er 34 889 Euro an die Staatskasse zurücküberwiesen habe. Landwirtschaftsminister Helmut Brunner wollte lieber eine Spende machen, zahlte dann aber 13 666 Euro an die Staatskasse. Zehn Jahre hatte er seine Frau beschäftigt für „919 Euro netto“. Und seine Schwester dazu. Franz Pschierer (Wirtschaft) erklärte, 42 000 Euro zurückgezahlt zu haben. Besonders dreist war Gerhard Eck (Inneres). Seine Frau leitete eine Baufirma und jobbte nebenbei auch noch im Büro ihres Mannes. Bernd Sibler (Wissenschaft) versicherte, er habe den Vertrag mit seiner Frau beendet, als er 2007 ins Kabinett berufen wurde.