Verrückte Welt des Prager Todesschützen: Was der Täter vor dem Massaker schrieb

Ein Student erschießt an einer Universität in Prag 13 Menschen. Was den Schützen zu seiner Tat motiviert haben könnte.
von  Alexander Spöri
Der Schmerz in Prag sitzt tief. Der Student David K. hat an einer Universität zahlreiche Menschen getötet.
Der Schmerz in Prag sitzt tief. Der Student David K. hat an einer Universität zahlreiche Menschen getötet. © imago

München/Prag - Es sind dramatische Bilder aus der tschechischen Hauptstadt, die sich seit Donnerstagabend wie ein Lauffeuer im Internet verbreiten. In einem Video springen Studenten von einem etwa vier Meter hohen Dachsims, um so den Schüssen des Angreifers David K. zu entkommen.

Der mutmaßlich 24-jährige Täter, der übereinstimmenden Medienberichten zufolge selbst Student an der Karls-Universität war, erschoss 13 Menschen, verletzte Dutzende weitere und starb letztlich selbst. Vor dem Amoklauf soll er noch seinen Vater umgebracht haben. Ebenso steht er im Verdacht, vor einer Woche einen Doppelmord begangen zu haben. Dabei soll er einen Vater und seine Tochter im frühen Säuglingsalter getötet haben. Noch ist unklar, was den jungen Mann zur Tat motiviert haben könnte. Aufschluss könnten mutmaßliche Nachrichtenverläufe geben, zu denen sich die tschechischen Behörden bislang nicht äußerten.

Der Student David K. soll mindestens 13 Menschen getötet haben.
Der Student David K. soll mindestens 13 Menschen getötet haben. © Screenshot X

Verstörende Chatprotokolle: Täter führt Tagebuch vor Schießerei in Prag

Die verstörenden Chatprotokolle, die der AZ vorliegen, geben Einblicke in den möglichen Radikalisierungsprozess des jungen Mannes. Seit dem 9. Dezember führt der Schütze in einer Telegram-Gruppe unter seinem Klarnamen offenbar eine Art "Tagebuch". "Lasst mich mich vorstellen", schreibt der mutmaßliche Täter. "Ich will eine Schießerei an einer Schule mit möglichem Suizid durchführen." Weiter heißt es: "Ich wollte schon immer töten."

Tagebuchähnliche Nachrichten wie diese werden im Amokmilieu oft verfasst. William Atchison, der 2017 in den USA zwei Schüler an einer Highschool in New Mexico tötete, machte dasselbe wie der Prager Student. Auch David Sonboly, der bei einer Schießerei am Olympiaeinkaufszentrum (OEZ) in München 2016 neun Menschen das Leben nahm, hinterließ ein "Manifest". Die sprachlichen Formulierungen des Prager Studenten sind für die Szene typisch: "Jeder hasst mich. Das interessiert mich allerdings nicht, weil der Hass auf Gegenseitigkeit beruht", lautet eine Nachricht. In einer weiteren Mitteilung steht: "Ich hasse die Welt und will so viel Schmerz wie möglich hinterlassen."

Schütze ließ sich wohl von Schießereien in Russland inspirieren

Von diesem Motiv des Hasses wimmelt es unter Amokfanatikern. In Chatgruppen auf Telegram, Discord und der Spieleplattform Steam tauschen sich Jugendliche und Erwachsene dazu aus. Wenn dort der Begriff "Hass" fällt, steht er oft im Zusammenhang mit dem Amoklauf an der Columbine High School 1999. Das Massaker gilt für potenzielle Täter als Blaupause für weitere Schulschießereien.

Auch der Schütze von Prag war von anderen Tätern inspiriert, wie er in einer Nachricht schrieb. Er bezieht sich darin auf eine Schießerei an einer Schule im russischen Kazan, bei der 2021 neun Menschen starben und auf eine Gewalttat, die sich erst vor knapp zwei Wochen in Brjansk ereignete. Dort tötete eine 14-Jährige einen Menschen und verletzte vier weitere. Dass die Teenagerin nur eine Person umgebracht hatte, würde der Angreifer "beheben", wie er in einer Nachricht schreibt.

Tötungen gelten in der Amok-Community als Statusmerkmal. Auf der Internetplattform "Encyclopedia Dramatica" vergeben eine große Zahl an Nutzern Sterne für Amokläufe. Massenmörder, die sich nach ihrer Tat suizidieren, gehen auf der Homepage als "Helden" ein.

Aufklärung notwendig: Geheimdienste verhinderten Massaker in Prag nicht

Mit Blick auf Prag dürften die Chatprotokolle auch für die Ermittler von Interesse sein. Teilweise lasen in den Gruppen mehr als 50 Personen mit. Auch auf Geheimdienste werden wohl unangenehme Fragen zukommen, warum die Behörden nicht aufmerksam geworden sind.

Bis das endgültige Fazit zur Motivation des Schützen feststeht, wird es erfahrungsgemäß noch dauern. Zahlreiche Fälle aus den letzten Jahren zeigen, dass sich mit der Ideologie des Hasses immer wieder auch extremistische Ansichten vermischen können.

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