Vernichtendes Zeugnis

100 Tage Schwarz-Gelb: Verschiedenste Interessensgruppen, Bürger und Opposition ziehen eine desaströse Bilanz der Regierungsarbeit: „Es kann nur besser werden“
BERLIN Der frechste Spruch zur Feier des Tages kam von Linken-Geschäftsführer Dietmar Bartsch: „Das waren die ersten 100 Tage. Das Problem: Es folgen noch 13 weitere 100 Tage.“ Zum Amtsjubiläum zog die Republik eine weitgehend vernichtende Bilanz der neuen schwarz-gelben Regierung. Bis auf die Beteiligten. Ein Überblick in Zitaten:
DGB-Chef Dieter Sommer: „Gegenüber der großen Koalition fällt die Leistung der neuen Regierung massiv ab. Die FDP sucht ihr Heil in Klientelpolitik und verwechselt Ideologie mit Politik.“
Peter Heesen, Chef des Deutschen Beamtenbundes: „Es kann eigentlich nur besser werden. Hauptsache, der Steuersenkungswahn der ersten Monate ist vorbei.“
Wolfgang Franz, Vorsitzender des Sachverständigenrates der Bundesregierung: „Aus wirtschaftspolitischer Sicht war der Start unbefriedigend. Zum Teil ist dies im Koalitionsvertrag bereits angelegt. Dort werden Steuersenkungen in Aussicht gestellt, ohne eine überzeugende Finanzierung darzulegen.“
Rainer Willmanns, Chef des Managerbundes: „Wer Union und FDP gewählt hat, hat doch wieder nur die Politik des sozialdemokratischen Mainstreams bekommen. Führungskräfte, Unternehmer und Leistungsträger sind zu Recht enttäuscht. Die aktuellen Steuersenkungen sind noch nicht einmal sinnvoll, geschweige denn gerecht.“
Nils Diederich, Politikwissenschaftler an der FU Berlin: „Ein denkbar schlechter Anfang. Es ist ein erstaunliches Phänomen, dass der Konsens zwischen Union und SPD selbst in der Endphase besser war als zwischen den erklärten Wunschpartnern.“
Awo-Chef Wolfgang Stadler: „Die Regierung vergrößert die Schere zwischen Arm und Reich. Bestes Beispiel ist das Kindergeld: Spitzenverdiener profitieren durch die Erhöhung des Freibetrags von 6024 auf 7008 Euro am meisten, Normalverdiener bekommen immerhin 20 Euro im Monat, aber die Kinder von Armen profitieren gar nichts, weil die Erhöhung voll auf Hartz IV angerechnet wird.“
DIHK-Geschäftsführer Martin Wansleben: „Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat die größten Schnitzer in der Unternehmens- und Erbschaftssteuer korrigiert. Wir wünschen uns aber noch mehr, etwa bei der Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt.“
Grünen-Chefin Claudia Roth: „Union und FDP handeln unverfroren und kaltschnäuzig im Interesse von Atomkonzernen und Hoteliers.“
Die Bürger: Die Zahl der Unzufriedenen ist laut Politbarometer von 30 auf 46 Prozent gewachsen, die FDP von über 14 Prozent auf unter zehn gefallen. 70 Prozent sehen Klientelpolitik bei Schwarz-Gelb.
Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel: „Wir haben einige wichtige Dinge auf den Weg gebracht.“
Kanzleramtsminister Ronald Pofalla: „Nach 100 Tagen wird keine Regierung mit Lobeshymnen überschüttet. Ich bin optimistisch, dass die Bilanz in vier Jahren gut sein wird.“
Unionsfraktionschef Volker Kauder: „Ich habe für diese Koalition hart gearbeitet. Aber die Wähler erwarten von uns auch solide Arbeit.“
Jörg Hahn, hessischer FDP-Chef: „Die CSU muss endlich konstruktiv mitarbeiten. Sie kommt mir vor, als sei sie in den Wechseljahren.“
FDP-Chef Guido Westerwelle: „Unsere Leistungen können sich sehen lassen. Die FDP kann nicht vom Start weg alles korrigieren, was in elf Jahren falsch gelaufen ist.“ tan