Verfassungsschutz: Zahl der Gefährder hoch wie nie

Der Verfassungsschutz stellt seinen Bericht vor. Am besorgtesten klingt Präsident Hans Georg Maaßen beim Thema Salafisten.
von  Rudi Wais
Der salafistische Prediger Pierre Vogel mit Anhängern auf einer Kundgebung in Hamburg.
Der salafistische Prediger Pierre Vogel mit Anhängern auf einer Kundgebung in Hamburg. © Markus Scholz/dpa

München - Sie stehen in Fußgängerzonen, an Bahnhöfen und vor Einkaufszentren. So harmlos-freundlich, wie es scheinen soll, sind die Mitglieder der salafistischen Vereinigung „Die wahre Religion“ allerdings nicht.

Ihre Kampagne mit dem unverfänglichen Slogan „Lies“, bei der sie schon drei Millionen Koran-Exemplare kostenlos verteilt haben, entfaltet nach den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes vor allem auf junge Menschen große Anziehungskraft.
Und manch einer von ihnen zieht später, wenn er sich radikalisiert hat, in den vermeintlich Heiligen Krieg nach Syrien oder in den Irak.

Die Gewalttaten durch Linke und Rechte steigen an

60 Minderjährige seien bisher in Richtung des Islamischen Staates ausgereist oder hätten es zumindest versucht, rechnet Hans Georg Maaßen vor, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln. 37 kamen von ihnen tatsächlich in den Hochburgen der selbst ernannten Gotteskrieger an, davon 20 Mädchen.

Im Jahresbericht seiner Behörde, den er an diesem Nachmittag mit Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) vorstellt, ist zwar vor allem vom zweistelligen Anstieg der links- und rechtsextremistischen Gewalttaten in Deutschland die Rede.

Am besorgtesten allerdings klingt Maaßen, wenn er über den Islamismus und dessen immer professionellere PR-Arbeit redet. Vor allem der Islamische Staat publiziert danach im täglichen Rhythmus Texte, Fotoserien und Videos, mit denen er sich in den sozialen Netzwerken gezielt an ein junges, medienaffines Publikum wendet.

Mit den Attentaten von Paris im November vergangenen Jahres hätten die Dschihadisten Europa eine „neue Dimension des Terrors“ vor Augen geführt, heißt es im Verfassungsschutzbericht. „Es ist davon auszugehen, dass der IS Pläne für weitere Anschläge in Europa und damit auch in Deutschland verfolgt.“

Dass sich zumindest zwei Attentäter als Flüchtlinge getarnt haben, wertet Maaßen als „politisches Signal“ des Islamischen Staates: Er zeigt einer offenen Gesellschaft, wo sie am empfindlichsten ist.

De Maizière warnt: Salafisten wollen Flüchtlinge anwerben

Salafisten bilden die mit Abstand am meisten wachsende Szene

Bis zu 10 000 gewaltbereite Islamisten haben sich in Deutschland nach Einschätzung des Verfassungsschutzes alleine der national-religiösen türkischen Bewegung „Milli Görüs“ angeschlossen.

Weit über 8000 Mitglieder zählt die Salafisten-Szene (mit einem Zuwachs von fast 20 Prozent die am stärksten wachsende Szene), die ihre Propagandaaktivitäten gerne als „Einladung zum Islam“ verharmlost – für den Verfassungsschutz in Wahrheit jedoch „eine systematische Indoktrinierung und oftmals auch eine noch weitergehende Radikalisierung“ betreibt.

Dazu kommt eine ganze Reihe kleinerer Gruppen und Bewegungen von der „Türkischen Hizbullah“ bis zu den Anhängern der so genannten Muslimbruderschaft, die die Verfassungsschützer ebenfalls auf ihrem Radar haben.

„Die Zahl der Gefährder ist so hoch wie nie zuvor“, sagt Innenminister de Maiziere. Fast alle der knapp 800 Extremisten, die bis Ende vergangenen Jahres nach Syrien oder in den Nordirak in den Kampf gezogen sind, standen nach den Recherchen des Verfassungsschutzes zuvor mit der salafistischen Szene in Kontakt. Etwa ein Drittel von ihnen ist inzwischen wieder in die Bundesrepublik zurückgekehrt.

70 von ihnen halten Verfassungsschützer Maaßen und de Maiziere wegen ihrer terroristischen Ausbildung und ihrer Kampferfahrung für besonders gefährlich.

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