Verfassungsgericht verhandelt über Libyen-Einsatz

Bewaffnete deutsche Soldaten evakuieren in einer Kommandoaktion Menschen aus Libyen. Über die Frage, ob die Zustimmung des Bundestags nötig gewesen wäre, wird gestritten. Nun sind die Verfassungsrichter am Zug - wieder einmal.
von  dpa

Karlsruhe - Vier Jahre nach der Evakuierung von Europäern aus dem Bürgerkriegsland Libyen wird der Bundeswehreinsatz höchstrichterlich überprüft. Das Bundesverfassungsgericht geht seit Mittwoch der Frage nach, ob der Bundestag der dramatischen Rettungsaktion im Februar 2011 hätte zustimmen müssen.

Die Grünen-Fraktion geht davon aus, dass dies nachträglich nötig gewesen wäre, und reichte zur Klärung eine Organklage in Karlsruhe ein. Die Bundesregierung sieht das anders. Für humanitäre Einsätze sei nicht das Parlament zuständig. Ein Urteil wird in einigen Monaten erwartet.

Bewaffnete Fallschirmjäger flogen am 26. Februar vor vier Jahren mit zwei Transall-Transportern 22 Deutsche und 110 andere Europäer aus der libyschen Wüstenstadt Nafurah aus. Bei den meisten handelte es sich um Ingenieure und Arbeiter von Ölfirmen, die laut Bundeswehr kaum noch Essen und Trinken hatten.

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"Der Einsatz war gefährlich und hätte in eine bewaffnete Auseinandersetzung führen können", sagte Grünen-Vizefraktionschef Frithjof Schmidt. Er warf der Regierung vor, das Recht des Bundestages, über Militäreinsätze zu entscheiden, aushöhlen zu wollen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der früher einmal das Verteidigungsressort leitete, widersprach: "Es ging um eine Rettungsaktion für deutsche Staatsbürger mit logistischen Mitteln der Bundeswehr, ohne dass eine militärische Auseinandersetzung zu erwarten gewesen wäre", sagte er. "Eine solche Entscheidung muss eine Bundesregierung ohne das Parlament treffen können."

In Libyen tobte 2011 ein Bürgerkrieg, der schließlich zum Sturz und dann zum gewaltsamen Tod von Langzeit-Machthaber Muammar al-Gaddafi führte. Etliche Nationen flogen seinerzeit Ausländer aus dem Chaos aus. Die Bundeswehr bereitete dazu eine Operation "Pegasus" vor, in die drei Schiffe, Flugzeuge und bis zu 1000 Soldaten eingebunden waren. Die Rettungsaktion in Nafurah, um die es in Karlsruhe geht, war nach Darstellung der Bundesregierung jedoch nicht Teil dieser Operation, letztlich sei "Pegasus" nicht zum Tragen gekommen.

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Das Verfassungsgericht hat nun Gelegenheit, seine Rechtsprechung zur Bundestagsbeteiligung bei Auslandseinsätzen deutscher Soldaten zu präzisieren. 1994 hatten die Richter grundsätzlich angeordnet, dass die Volksvertreter bewaffneten Einsätzen vorher zustimmen müssen. Nur in Eilfällen sei ausnahmsweise eine nachträgliche Einwilligung möglich. Ein Gesetz wurde 2005 erlassen. 2008 sah das Gericht die Schwelle zur Einschaltung des Bundestags schon bei "greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkten" für eine mögliche Verwicklung der Soldaten in eine bewaffnete Auseinandersetzung erreicht.

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