Verdeckte Videoüberwachung: Bespitzeln verboten

MÜNCHEN - Keine versteckten Kameras mehr, keine Wanzen, keine heimlichen Dossiers: Mit einem neuen Gesetz will die Regierung Datenschutzskandale der Marke „Lidl“ verhindern.
Lidl, Schlecker, Telekom, Deutsche Bahn – viele große Unternehmen waren in den vergangenen Jahren in Skandale um versteckte Videoüberwachung verwickelt. Immer wieder wurden Mitarbeiter am Arbeitsplatz gefilmt und abgehört, anschließend Dossiers über ihr Privatleben angefertigt. Damit soll jetzt Schluss sein: Am Mittwoch verabschiedete die Bundesregierung einen entsprechenden Gesetzesentwurf.
Wer sind die Gewinner des neuen Gesetzes? Die Angestellten, die zuvor ohne ihr Wissen gefilmt und abgehört werden konnten. Das soll es künftig nicht mehr geben.
Was ist verboten? Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter nicht mehr heimlich filmen. Auch Wanzen, mit deren Hilfe Gespräche von Angestellten belauscht werden konnten, sollen verboten werden. Zudem wird die Arbeit von Privatdetektiven eingeschränkt: Sie dürfen nur noch eingreifen, wenn ein konkreter Verdacht über eine Straftat vorliegt.
Darf der Arbeitgeber die Mails seiner Angestellten lesen? Das Lesen privater Mails soll verboten werden, ebenso das Ausspionieren in sozialen Netzwerken. Ausgenommen sind Netzwerke wie „Xing“, auf denen sichBewerber auf dem Arbeitsmarkt präsentieren.
Was ist weiterhin erlaubt? Die offene Videoüberwachung, beispielsweise von Verkaufsgängen im Supermarkt oder von Firmeneingängen. Die Mitarbeiter müssen jedoch darüber informiertwerden, dass ihr Arbeitgeber in diesen Bereichen Kameras oder sonstige Überwachungsinstrumente installiert hat. Auch sollten diese Maßnahmen mit dem Betriebsrat abgestimmt sein.
Was sagen die Arbeitgeber? Die sind alles andere als begeistert und haben bereits Nachbesserungen gefordert. Um Straftäter im eigenen Betrieb zu ermitteln, sei die verdeckte Videoüberwachung oft der einzige Weg, sagt Thomas Bade vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels. Geklaut werde vor allem aus Lagerräumen – und hier sei die versteckte Überwachung der einzigeWeg. Für die Arbeitgeber wird es künftig schwieriger, einem konkreten Verdacht nachzugehen und Straftäter zu entlarven. Die Bekämpfung von Korruption und Kriminalität in Unternehmen wird dadurch behindert, sagt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt.
Was muss noch geklärt werden? Die Arbeitgeber beklagen, dass einige Punkte immer noch schwammig formuliert seien. Beispielsweise sei nicht geklärt, wo die Grenze zwischen privaten und geschäftlichen Mails verläuft.
Wie wird in Deutschland bespitzelt? Es sind längst nicht mehr nur die kleinen Kameras, mit denen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter überwachen können. Besonders in Berufen, an denen mit Computern gearbeitet wird, gibt es viele Möglichkeiten der Überwachung. So genannte Spyware-Programme können auf Computern installiert werden und Arbeitgebern interessante Daten liefern: Welche Webseiten hat der Mitarbeiter besucht? Welche Passwörter haben sie dort eingegeben? Welche E-Mails wurden wann an wen geschickt? Besonders unangenehm: Einige Programme schießen in Abständen von 15 Minuten heimlich Screenshots und schicken diese an den Vorgesetzten. cae
Versteckte Kameras in München: „Ich sehe alles“
Immer wieder werden Fälle von Bespitzelung am Arbeitsplatz bekannt – auch in München.
Bei Coffee Fellows wurden in der Decke einer Münchner Filiale mehrere Kameras installiert. „Der Filialleiter sprach mich mittags auf ein Gespräch an, das ich morgens um sechs bei Schichtbeginn geführt hatte. Da war der Chef noch gar nicht im Laden“, sagt die frühere Mitarbeiterin Jenny K. Die Botschaft: „Ich sehe und höre alles.“ Die Mitarbeiterin kündigte daraufhin, einige Kollegen folgten ihr.
„Coffee Fellows“ war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Bei Burger King wurde im April 2008 die Sitzung zur Gründung eines Betriebsrates in einer Münchner Filiale mitgefilmt. Die Fast-Food-Kette behauptete, es habe sich lediglich um eine Sicherheitsmaßnahme gehandelt. Später entschuldigte sich das Unternehmen: „Das war ein Fauxpas. Wir haben nicht daran gedacht, dass da etwas mitläuft“, sagte Deutschland- Chef Thomas Berger. Der Konzern musste sich auch bei seinen Mitarbeitern entschuldigen.
Bei Lidl wurde 2008 im großen Stil das Privatleben einfacher Mitarbeiter ausgespäht, auch in München. „Lidl“ bekam eine Gesamtgeldstrafe von 1,462 Millionen Euro aufgebrummt und zahlte seinen Vollzeitbeschäftigten eine Prämie von 300 Euro.