Verbissen in Lappalien: Koalitionskrach um die Erbschaftsteuer
BERLIN/MUENCHEN - Der designierte CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer will in Berlin jetzt klare Kante zeigen, strapaziert damit aber die Nerven von CDU und SPD. Diese wollen die Erbschaftsteuerreform schnell vom Tisch haben, um sich ganz der Finanzkrise widmen zu können.
Der verwundete bayerische Löwe fährt verzweifelt die Krallen aus – doch die CDU tätschelt nur seine Mähne und rollt genervt mit den Augen. Während die CSU im Dauerstreit um die Erbschaftsteuerreform weiter auf Korrekturen pocht und mit dem Scheitern droht, zeigt ihr die CDU die kalte Schulter – und schmust mit der SPD.
Der Gesetzentwurf sei ein „bürokratisches Supermonster, das wir zum Teil selbst nicht verstehen“, jammerte Landesgruppenchef Peter Ramsauer nach einer Sitzung des Vorstands mit den Berliner CSU-Abgeordneten.
Bald-CSU-Chef Horst Seehofer drohte, es sei „schwer zu sagen“, ob es am Ende überhaupt eine Einigung in der Koalition geben werde. Bereits zuvor hatte der designierte Ministerpräsident eine knallharte Vertretung bayerischer Interessen gegenüber Berlin angekündigt. Seine CSU werde „klare Kante“ zeigen, so Seehofer im Münte-Deutsch. Und auch gestern im Vorstand holte er sich gestern ausdrücklich die Rückendeckung, beim Konfrontationskurs zu bleiben – die Erbschaftssteuer als erster großer Kampf des neuen Parteichefs.
Pofalla giftet, Oettinger stänkert, Wulff mahnt zur Eile
Das fordert die CSU: Selbstgenutztes Wohneigentum, das innerhalb der Familie vererbt wird, soll erbschaftssteuerfrei bleiben. Geschwister, Neffen und Nichten müssen deutlich besser gestellt werden. Familienbetriebe, die mindestens sieben Jahre fortgeführt werden, dürften nicht stärker belastet werden. Hier sei „eine 100-prozentige Verschonung“ nötig, sagte Ramsauer.
Die CDU dringt dagegen auf eine rasche Einigung. Er gehe davon aus, „dass wir spätestens nach dem CSU-Parteitag“ am 25.Oktober in der Koalition über die Reform weiter beraten, giftete General Ronald Pofalla mit Blick auf die renitenten Bayern. Der Stuttgarter Regierungschef Günther Oettinger hält eine Einigung „innerhalb von drei Stunden Verhandlung“ für möglich. Auch CDU-Vize Christian Wulff will die Kuh zügig vom Eis haben: „Den Umfang von vier Milliarden Euro brauchen die Länder. Es wird noch diese Woche eine Einigung geben.“
Struck: "Erbschaftsteuer ist eine Lappalie"
SPD-Fraktionschef Peter Struck geht das CSU-Bohai um die Erbschaftssteuer mächtig auf die Nerven: „Das ist im Vergleich zur Finanzkrise eine Lappalie“, so Struck. SPD-Vize Nahles zischte: „Das Schützen von Villen am Starnberger See ist eine Verteidigung von Privilegien für ganz wenige zulasten der Allgemeinheit.“ FDP-Vize Rainer Brüderle rief CSU und Liberale in Bayern derweil auf, die „mittelstandsfeindliche Steuer“ im Koalitionsvertrag ganz zu streichen.
So geht es weiter: Zunächst wollen CSU und CDU intern Tacheles reden und sich einigen, ehe sie kommende Woche mit der SPD im „Kleinstkreis“ weiterreden.
Markus Jox