US-Wahlkampf: Der Sieger ist das Netz
WASHINGTON - Blogs, Onlinevideos und E-Mails rund um die Uhr: Noch nie hat das Internet eine so einflussreiche Rolle gespielt wie derzeit im US-Wahlkampf. Die Nase recht weit vorn hat, wen wundert's, Barack Obama. John McCain hechelt mal wieder hinterher.
Barack Obama, John McCain – wer auch immer am 5. November die US-Wahl gewonnen haben wird, eins steht jetzt schon fest: Dieser Wahlkampf wird als der erste echte Internetwahlkampf in die Geschichte eingehen. Sicher: Blogs und Kandidatenchats gab es auch schon vorher, gerade in den USA. Aber noch nie zuvor hat das Internet eine so große Rolle im alltäglichen Wahlkampfgeschehen gespielt. Einer Studie des Pew Research Center zufolge informieren sich mittlerweile 20 Prozent der Amerikaner ausschließlich online über den Wahlkampf.
Absoluter Vorreiter ist – wen wundert's – Barack Obama. Vielleicht liegt es daran, dass John McCain zum Zeitpunkt der digitalen Revolution schon fast im Rentenalter war und Barack Obama gerade mal um die 30. Fest steht, dass es dem 70-jährigen Republikaner weit schwerer fällt, die Vorteile des Internets für sich zu nutzen. Die McCain-Webangebote wirken statisch und wenig innovativ. Auf Obamas YouTube-Kanal stehen inzwischen 1733 Videos, auf McCains nur 322.
Obamas Kampagne hat den Spitznamen „Facebook-Politics“ – benannt nach dem berühmten US-Studentenportal. Vernetzung ist das Zauberwort. Wie wenn ein Stein ins Wasser geworfen wird, verbreiten sich Nachrichten hier wie Wellen rasend schnell überall hin – nach dem Motto: „Hast Du schon gehört, klick mal hier drauf, schau dir das mal an." Kein Wunder, dass Obama ehemalige Mitarbeiter von Facebook in sein Wahlkampf-Team geholt hat.
Kleinvieh macht auch Mist: So wirbt Obama im Netz Mini-Spenden ein
Obama bedient sich lässig und gewandt der Internetsprache, nennt seine Anhänger beim Vornamen, schickt SMS und Mails. Und manchmal simst sogar Gattin Michelle und bittet um eine Spende.
Überhaupt, die Spenden: Auch hier nutzt das Obama-Lager das schier unendliche Rekrutierungspotenzial des Web. Nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“ werden User um Mini-Spenden von fünf Dollar gebeten. Mit Erfolg: Immerhin 90 Prozent der insgesamt 650 Millionen gespendeter US-Dollar waren Kleinspenden. Obama gibt das Geld auch in herkömmlichen Medien auf spektakuläre Weise aus: Am Donnerstag ließ er landesweit 30 Minuten lange TV-Spots ausstrahlen.
Manchmal allerdings treibt die Wahl im Netz auch seltsame Blüten. So hat sich Obama tatsächlich in Computerspiele eingekauft. Wer zum Beispiel beim X-Box-Spiel „Nascar 09“ mit seinem Boliden durch die Straßen heizt, fährt an virtuellen Wahlplakaten vorbei.
Blogs, Blogs, Blogs: Wähler sind wichtiger als Chefreporter
Und dazu kommen noch Blogs, Blogs, Blogs. Einer der Berühmtesten ist „The Huffington Post“ von Ariana Huffington. Die „HuffPo“ hat im Monat rund vier Millionen Seitenbesuche. Als Obama wegen seiner Nähe zu dem umstrittenen Priester Jeremiah Wright in die Kritik kam, gab er keine Pressemitteilung heraus, gab kein Interview – er schrieb auf „The Huffington Post“. Das Time-Magazine führt Ariana Huffington in der Liste der 100 einflussreichsten Personen der USA. Und was 2005 als Liebhaberprojekt gestartet war, beschäftigt mittlerweile 30 festangestellte Reporter.
Ganz anders funktioniert „Off the Bus“ – ein Sprößling der „Huffington Post“. „Off the Bus“ will, so die Gründer, „eine Wahlberichterstattung von Leuten, die nicht Mitglied im Club sind“ – im Club der alten Polit-Elite. Der Name „Off the Bus“ spielt auf die langjährige Politik-Tradition an, wichtige Journalisten in Wahlkampfbussen mitzunehmen, damit sich die wichtigen Journalisten noch wichtiger fühlen. Die Blogger dagegen wollen „runter vom Bus“.
Vielleicht ist es das, was viele Wähler in den USA so am Internetwahlkampf fasziniert: Es ist die Möglichkeit, selbst zu Wort zu kommen. „Die US-Wahl bringt eine ganz neue Qualität der politischen Nutzung des Webs“, sagt auch Christoph Bieber vom Zentrum für Interaktivität der Uni Gießen. Das Internet vermittelt eine Aufbruchsstimmung, eine neue Art der politischen Kommunikation. Eben genau das, was der Senator aus Illinois seit Monaten zwischen Montana und Maine propagiert: Change.
Annette Zoch
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