„Unser Weg beweist: Der Traum lebt noch“
Der Kandidat und die Frauen: Zum Auftakt von Obamas Krönungsmesse zeichnet Michelle ein weiches Bild, Hillary schenkt ihm ihre Stimmen. Fraglich bleibt nur, ob alle ihrer Fans diesem Appell folgen.
DENVER Der Auftakt der Krönungsmesse von Barack Obama gehörte ganz den Frauen: Den Anfang machte Michelle Obama, die sich in einer sehr persönlichen Rede als mögliche neue First Lady bewarb; dann Hillary Clinton, die Unterlegene, die nun offiziell tapfer versuchen will, ihre Fans auf Obama einzuschwören.
Sehr selbstbewusst, Karrierefrau, deutlicher Hang zur eigenen Meinung, verdächtig unpatriotisch – das war bisher das öffentliche Bild von Michelle Obama (44). Das Selbstbewusste unterstrich sie – im eleganten türkisen Kleid – durchaus, aber sie fügte dem Bild noch ein paar weichere Schattierungen hinzu: das Mädchen aus dem Schwarzen-Ghetto von Chicago, das es geschafft hat. „Mein Mann und ich stammen aus einfachen Verhältnissen. Dass wir da stehen, wo wir heute sind, zeigt, dass der amerikanische Traum noch immer lebt. Und wir wollen, dass unsere Kinder und alle Kinder wissen, dass eure Chancen nur begrenzt sind durch die Reichweite eurer Träume und durch eure Bereitschaft, dafür hart zu arbeiten.“ Und sie verspricht der Nation: „Mein Mann wird ein außergewöhnlicher Präsident.“
Eine ganz normale amerikanische Familienmutter
Sehr persönlich und sehr emotional schildert sie sich als Ehefrau und Mutter, die ihren Mann und ihre Töchter über alles liebt; als ganz normale, nahbare amerikanische Familienmutter, die auch mal Ärger mit dem Klempner hat; als kluge Juristin, die in Harvard war, aber ihre Wurzeln im Ghetto mit dem MS-kranken Vater nicht vergessen hat.
Und dann beteuert sie: „Ich liebe dieses Land.“ Das Thema Patriotismus ist eine ihrer Schwachstellen – weil sie, als ihr Mann als Kandidat feststand, gesagt hatte: „Ich bin zum ersten Mal stolz auf dieses Land.“ Was seither von ihren Gegnern genüsslich ausgeschlachtet wird. Cindy McCain schneidet in den First-Lady-Umfragen besser ab – sie lächelt und schweigt meistens.
„Und, wie war die Mama?“
Am Ende des Auftritts kommen ihre Töchter Malia (10) und Sasha (7) auf die Bühne, Obama wird per Video zugeschaltet. „Und, wie war die Mama?“, fragt er seine Kinder. „Hallo Daddy“, sagt Sasha. „Gut!“ Dann wendet er sich lächelnd ans Publikum: „Jetzt wissen Sie, warum ich sie so oft gefragt habe, meine Frau zu werden, obwohl sie immer wieder Nein gesagt hat. Aber Sie wollen ja einen standhaften Präsidenten.“
80 Stunden dauert der Krönungskonvent. Der erste Tag gehörte der Familie, Dienstag war der Tag von Hillary Clinton, der heutige Mittwoch der harten Politik mit Auftritten von Vize-Kandidat Joe Biden sowie Bill Clinton und am Donnerstag Abend (Ortszeit; bei uns Freitagfrüh) die feierliche Kür von Barack Obama.
Doch die Wahl im November hat er noch nicht gewonnen. Ein großer Stolperstein ist Hillary Clinton samt ihrem Wählerpotenzial von 18 Millionen Stimmen. Ihre Botschaft war klar. Die offizielle zumindest: Haltet zu Obama. Hiermit übergebe ich ihm als faire Verliererin meine Delegiertenstimmen.
Doch fraglich, ob alle ihrer Fans diesem Appell folgen: Nach Umfragen sind immer noch 30 Prozent der Hillaryaner so stark gegen Obama, dass sie für McCain stimmen wollen. Und so ganz mit dem Herzen dabei ist sie auch nicht. Als nun bekannt wurde, dass er sie nie ernsthaft als Vizepräsidentin in Betracht gezogen hat, hat das im Clinton-Lager für neue Verstimmung gesorgt. Vor allem angesichts aktueller Umfragen, in denen sie McCain schlagen könnte – er nur gleichauf liegt. tan