Union pocht auf GroKo - SPD ziert sich

Die Schwarzen wollen, doch die Genossen zögern: Einen Tag vor der SPD-Entscheidung über Sondierungsgespräche mit der Union herrschen noch sehr unterschiedliche Vorstellungen zur Regierungsbildung.
von  dpa

Berlin - Nach dem ersten Spitzengespräch von Union und SPD pochen führende CDU-Politiker verstärkt auf eine Neuauflage der großen Koalition. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte in der Wirtschaftswoche zügige Koalitionsgespräche.

"Aus Sicht der CDU könnte und sollte es konzentrierter und schneller gehen", sagte sie. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sagte im ARD-Morgenmagazin: "Wir wollen Verantwortung in einer stabilen Regierung übernehmen. Und deshalb ist das Angebot, in Koalitionsverhandlungen zu treten." Sozialdemokraten reagieren allerdings weiter reserviert.

Union will Regierungssondierungen mit SPD

Die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz sowie die Spitzen beider Fraktionen hatten sich 80 Tage nach der Bundestagswahl am Mittwochabend zu einem ersten Gedankenaustausch getroffen. Die Union sprach sich danach für Regierungssondierungen mit der SPD "zur Bildung einer stabilen Regierung" aus - und setzt damit Schulz unter Druck, weil dies de facto eine Fortsetzung der in der SPD ungeliebten großen Koalition bedeuten würde.

Merkel informierte heute den Vorstand ihrer Partei über das Gespräch. Schulz und Nahles wollen ihre Parteigremien am Freitag informieren. Der SPD-Parteivorstand soll dann entscheiden, ob Sondierungen beginnen oder nicht. Es wird erwartet, dass der SPD-Vorstand allenfalls ergebnisoffenen Sondierungen zustimmt.

Schulz hatte den Gang in eine große Koalition nach der Bundestagswahl ausgeschlossen. Er begründete das mit den herben Verlusten der SPD bei der Bundestagswahl. Der Parteibasis versprach er beim jüngsten Parteitag, "ergebnisoffen" zu verhandeln, das sollte auch Optionen wie eine Minderheitsregierung Merkels, die von der SPD unterstützt wird, beinhalten. Oder eine Kooperationskoalition ("Koko"), bei der die SPD zwar auch Minister in der Regierung stellt, aber nur auf bestimmten Feldern kooperiert. Beide Varianten sind der Union zu unsicher und werden daher abgelehnt.

Keine schnelle Regierungsbildung erwartet

Kramp-Karrenbauer rechnet mit keiner schnellen Regierungsbildung. "Ich bin skeptisch, dass es innerhalb kurzer Zeit klappt, denn die SPD hat sich da einen anderen Fahrplan auferlegt. Wir als Union sind sehr zielgerichtet bei der Sache. In der EU sehen wir, dass eine deutsche Regierung mit klarem Mandat gebraucht wird." Von der Leyen sagte, sie habe immer noch Vertrauen zur SPD. "Ich respektiere, dass die SPD jetzt ihre eigene Position noch finden muss."

Es gibt weiter massive Widerstände in der SPD gegen eine GroKo. Die SPD-Linke pocht trotz der Unions-Position weiterhin auf ergebnisoffene Sondierungen. "Die SPD wird - wenn überhaupt - nur offen sondieren", sagte der zum linken Flügel gehörende SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe der Deutschen Presse-Agentur.

Bremens Regierungschef Carsten Sieling (SPD) sieht in einer Tolerierung einer Minderheitsregierung auf Bundesebene das derzeit tragfähigste Modell für eine Zusammenarbeit von SPD und Union. "Das wäre Neuland für Deutschland, aber andere Länder können das auch", sagte Sieling dpa. "Und wir sind immer stolz darauf, dass wir ein innovatives Land sind. Das können wir ja auch mal im politischen System sein." Der Vorschlag einer "Kooperations-Koalition" basiere auf dem Tolerierungsgedanken: "Kooperieren ja, aber nicht heiraten."

Die stellvertretende Landesvorsitzende der SPD Baden-Württemberg, Hilde Mattheis, forderte ihre Partei auf, in die Opposition zu gehen: "Auch eine Partei, die sich in den Dienst stellt, in die Opposition zu gehen, ist im Parlamentarismus ein ganz wesentlicher Aspekt. Das darf man nicht verkennen", sagte sie "SWR Aktuell".

Bei Scheitern drohen Neuwahlen

Scheitern alle Bemühungen um eine Regierungsbildung, bliebe nur eine vorgezogene Neuwahl als Ausweg - erstmals in der Bundesrepublik.

"Ich würde mir wirklich wünschen, dass die SPD erst mal ihre Strategie klärt", sagte Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht dem Sender n-tv. "Aber dieses ganze Affentheater, nicht GroKo sondern Koko (...), ich glaube das kann doch keiner mehr ernst nehmen." Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch bezeichnete eine Kooperationskoalition im Sender Phoenix als "Kasperletheater".

"Die SPD ist ängstlich und unsicher und weiß nicht, welchen Weg sie gehen soll", sagte der frühere Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine der Rheinischen Post (Donnerstag). "Dabei ist es doch so einfach: Wenn man immer wieder Wahlen verliert, muss man die Politik ändern, die die Wähler vertreibt."

Es ist jetzt schon die längste Regierungsbildung - scheitern alle Optionen, droht eine Neuwahl. Diese ist erst nach einer Kanzlerwahl im Bundestag möglich. Wird ein neuer Regierungschef nur mit relativer Mehrheit der Stimmen gewählt und wäre damit ohne eine stabile Mehrheit, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen. Dann müsste innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl stattfinden - auch das wäre ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber Steinmeier stemmt sich dagegen, auch weil es ein ähnliches Wahlergebnis geben könnte und dann wieder  nur die Optionen Jamaika und GroKo blieben.

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