Unglaubwürdig
Wer nichts tut, ist mitverantwortlich für die Opfer - AZ-Redakteurin Susanne Stephan über den Angriff auf Gaddafi
Es gibt viele gute Gründe gegen den Feldzug der westlichen Allianz. Der wichtigste: Niemand weiß, wen genau die Staaten des Westens unterstützen. Sind die Rebellen tatsächlich demokratisch gesinnt, oder verfolgen sie nur ihre eigenen Machtinteressen? Gut möglich, dass der Westen den Teufel gegen Beelzebub austauscht, dass sich die Aufständischen, ist Gaddafi einmal entmachtet, als ebenso skrupellos entpuppen wie er. Afghanistan lässt grüßen: Die USA würden heute viel dafür geben, wenn sie ihre frühere Unterstützung für die Taliban rückgängig machen könnten.
Dann der ungewisse Ausgang dieses Feldzugs. Mit seinem Beschluss, keine Bodentruppen einzusetzen, hat der UN-Sicherheitsrat Gaddafi praktisch eine Handlungsanweisung gegeben. Gaddafi wird alles tun, um die Rebellen am Boden zu bekämpfen und Luftschläge unmöglich zu machen. Das geht am besten, indem er seine Truppen in der Nähe ziviler Einrichtungen positioniert – die Garantie für einen besonders schmutzigen Krieg.
Trotzdem ist die deutsche Zurückhaltung ungut. Neutralität funktioniert eben nicht, wenn ein Machthaber die eigenen Leute abschlachtet. Wer nichts tut, tut doch etwas – er duldet das Unrecht und ist mitverantwortlich für die Opfer. Deswegen hätte Deutschland militärische Hilfe leisten müssen. Den Gaddafi-Gegnern moralische Unterstützung zuzusichern, sich dann aber aus innenpolitischem Kalkül zurückzuhalten, ist unglaubwürdig.