Unerlaubte Telefonwerbung: Bei Anruf Ärger

MÜNCHEN - Seit einem Jahr regelt ein Gesetz, dass eigentlich Schluss sein muss mit der nervtötenden Telefonwerbung. Doch die Geschäftemacher kümmert das kaum. So setzen Sie sich gegen die unliebsamen Anrufer durch.
Drückerkolonnen klingeln nicht mehr an der Haustür. Sie rufen an. Täglich werden Zigtausend Bürger von dreisten Verkaufsprofis überrumpelt. „Sie wollen doch sicher sparen? Oder gewinnen?“, sind die am meisten gebrauchten Sprüche. Ja klar, sagen viele Leute arglos - und sitzen am Ende in Zeitschriften-Abos fest, haben Lotterielose gekauft, Wein bestellt, Finanzprodukte und Abbuchungen vom Konto am Hals oder sind zu einer neuen Telefongesellschaft gewechselt. Senioren werden am häufigsten über den Tisch gezogen.
Eigentlich sollte schon längst Schluss sein mit der Massenplage. Seit 4. August 2009 ist das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung in Kraft. Seither sind die Anrufe nur noch mit ausdrücklicher Erlaubnis des Betroffenen zulässig. Die Geschäftemacher dürfen sich nicht mehr hinter einer unterdrückten Rufnummer verstecken. Bei Verstößen werden Bußgelder bis zu 50000 Euro fällig.
Gebracht hat das aber nichts. Im Gegenteil, schlugen die Verbraucherschützer jetzt in München Alarm. Trotz Verbots ging die Plage mit Werbe- und Gewinnspielaktionen munter weiter, wie Marion Breithaupt-Endres, Vorstand der Verbraucherzentrale Bayern, kritisierte. Ihre Forderung an die Politik: Macht das Gesetz endlich so scharf, dass der Spuk bald vorbei ist. „Verbotene Telefonwerbung darf sich nicht länger lohnen.“
Bestes Mittel sei, dass ein Telefonvertrag nur dann wirksam wird, wenn der Kunde ihn hinterher auch schriftlich bestätigt. Außerdem sollen die Bußgelder zur Abschreckung auf mindestens 250000 Euro erhöht werden. Die bayerische Verbraucherschutzministerin Beate Merk versprach Unterstützung im Kampf gegen die „schwarzen Schafe“ der Branche.
Seit Monaten schon sammeln die Verbraucherschützer in ganz Deutschland Beschwerden von Verbrauchern, die hereingelegt wurden, unter www.verbraucherzentrale.de. Das sind die typischen Maschen der Abzocker:
Verlockende Gewinnspiele: Sie gehören zu den Klassikern. Angerufene sollen ihre Kontoverbindung nennen, damit sie an den Spielen teilnehmen können, und haben plötzlich monatliche Abbuchungen am Hals.
Schnäppchenangebote: „Wollen Sie nicht billiger telefonieren und surfen, den Tarif optimieren, sparen?“ wird geschickt gefragt. Auch wenn sie vom Flatrate-Kauderwelsch der Profis kaum etwas verstehen, stimmen viele den Schnäppchenangeboten zu. Die Folgen: Senioren haben superschnellen DSL-Internet-Anschlüssen zugestimmt, mit denen sie gar nichts anfangen können. Andere kriegen neue Tarife, aber zugleich längere Laufzeiten mitverkauft, manche wechseln gar ungewollt den Anbieter oder haben überflüssige Zusatzbausteine auf der Rechnung.
Verträge, die es nicht gibt: Verbrauchern wird die Zusendung von weiteren Informationen angeboten zur Prüfung in aller Ruhe. Stimmt der Angerufene zu, wird ihm gleich eine Auftragsbestätigung zugeschickt und dann die Rechnung. Manchmal wird der Vertragsschluss auch einfach behauptet, obwohl gar niemand zugestimmt hat.
Die Seniorenfalle: Ältere Menschen werden am Telefon gezielt bequasselt. Sie sind gut erreichbar und gutgläubig. Einer älteren Dame wurden so insgesamt 40 Verträge untergeschoben und 12.500 Euro innerhalb von zwei Jahren vom Konto abgebucht.
Nervtötende Geisteranrufe: Zigmal klingelt das Telefon, nie ist jemand dran. Automatische Anrufe von Wählcomputern klingeln bis zu 100 Leute parallel an. Wer zuerst rangeht, hat den Verkaufsprofi vom Call-Center dran. Die übrigen Anrufe gehen ins Leere, belästigen nur. Dafür werden nicht einmal Bußgelder fällig.
Dabei ist die Rechtslage eigentlich relativ eindeutig: Ungebetene Werbeanrufe, sogenannte cold calls, sind verboten. Paradox, dass trotzdem gilt: Auch mündliche Vereinbarungen sind Verträge. Obwohl sie auf unlauterem Weg zustande kamen, sind sie in der Regel sofort gültig. Kunden, die zu spät oder gar nicht widerrufen, sitzen unweigerlich darin fest. Diese Situation wird von dubiosen Firmen gnadenlos genutzt. Diese Chancen haben Sie zur Abwehr:
Wichtigster Tipp: gleich auflegen, wenn Werbeprofis ungebeten anrufen. Das ist verboten. Bloß nicht freundlich sein und auf Angebote eingehen.
Gewinnspiele meiden. Oder wenigstens die Telefonnummer nicht angeben. Bankdaten niemals offen legen.
Verträge wider Willen, die während eines Telefonats geschlossen worden sein sollen, sollte man sofort schriftlich per Einschreiben widerrufen, und zwar innerhalb eines Monats. Der Beginn der Widerrufsfrist setzt voraus, dass der Kunde über seine Rechte bei dem Fernabsatzvertrag ordnungsgemäß belehrt wurde.
Ist dem Vertrag keine Information zu Widerrufsmöglichkeiten beigefügt, kann das Geschäft, also beispielsweise der neue Telefonvertrag, oft Jahre später noch gekippt werden. Im Zweifelsfall die Verbraucherzentrale um Rat fragen.
Das Widerrufsrecht kann auch bei ungewollten Finanz- oder Energieverträgen, bei Überrumpelungsverkäufen in Sachen Wein, Zeitschriftenabo oder Lotterielosen genutzt werden.
Ausnahme: Verträge über Reise- und Beförderungsleistungen können nicht widerrufen werden.
Berrit Gräber