Uneinigkeit über Flüchtlingspolitik in Europa
Berlin/Paris - Regierungsvertreter aus mehreren EU-Staaten wehrten sich am Wochenende gegen Forderungen, ihre Länder sollten mehr Flüchtlinge aufnehmen und Voraussetzungen für ein gemeinsames europäisches Vorgehen schaffen. London stellte die Arbeitnehmer-Freizügigkeit gleich mit in Frage. Frankreich kritisierte die Flüchtlingspolitik des EU-Partners Ungarn und den Bau eines Sperrzauns an der Grenze zu Serbien.
Die Innenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien forderten eine schnelle, einheitliche Festlegung sogenannter sicherer Herkunftsstaaten. Außerdem sollten die geplanten Aufnahmestellen für Flüchtlinge in Italien und Griechenland spätestens bis Ende des Jahres in Betrieb gehen. Die Minister baten die luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft, innerhalb der nächsten zwei Wochen zu einem Sondertreffen der Justiz- und Innenminister einzuladen.
"Ungarn respektiert die gemeinsamen europäischen Werte nicht", sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius am Sonntag dem Sender Europe 1 zum Bau des Grenzzauns. Die EU-Autoritäten müssten "ernsthaft" mit Ungarn reden. Es sei skandalös, dass einige Länder "vor allem im Osten Europas" die Verteilung von Asylbewerbern nicht akzeptierten. Deutschland zeige hier beherztes Verhalten, Frankreich stehe an seiner Seite. "Aber Europa muss insgesamt seine Verantwortung übernehmen", sagte Fabius.
Dagegen warf der slowakische Ministerpräsident Robert Fico der EU "absolutes Versagen" vor. Ängste der Menschen in der Slowakei und in ganz Europa würden nicht ernst genommen, sagte der Linkspolitiker. "Lasst uns nicht so tun, als ob wir das Problem lösen könnten, indem wir alle mit offenen Armen empfangen." Er sprach sich für "Sicherheitszonen" an den EU-Außengrenzen und einen EU-Afrika-Gipfel zur Migration aus.
Fico bekräftigte seinen Widerstand gegen verpflichtende EU-Quoten für die Umverteilung von Flüchtlingen. "Wie sollen wir denn Menschen mit einer ganz anderen Lebensweise und Religion integrieren, wenn wir nicht in der Lage sind, unsere eigenen Roma-Mitbürger zu integrieren", sagte er.
Großbritanniens Innenministerin Theresa May zog eine Verbindung von der Flüchtlingsproblematik zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. "Dies ist ein Weckruf für die EU", schrieb sie in einem Gastbeitrag für die "Sunday Times". Europas Spitzenpolitiker müssten die Folgen "unkontrollierter Migration" bedenken, für den Arbeitsmarkt, das Gehaltsniveau und den sozialen Frieden. Ihr Land beteiligt sich nur gering an der Aufnahme von Flüchtlingen in der EU.
Die irische Regierung wehrte sich gegen Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Irland habe sich bereiterklärt, 520 Flüchtlinge bis zum Jahr 2016 aufzunehmen. Dies bedeute fast das Doppelte des Anteils, den die EU-Kommission für das Land vorgesehen habe.
Der tschechische Innenminister Milan Chovanec hatte am Freitag die Idee eines humanitären Flüchtlingskorridors für Syrer direkt nach Deutschland ins Spiel gebracht. Dass syrischen Staatsbürgern in der Bundesrepublik keine Abschiebung mehr drohe, sei eine neue Entwicklung, sagte der Sozialdemokrat. "Es stellt sich die Frage, ob Europa ein Modell findet, wie man die Syrer dorthin gehen lässt, ohne sie vorher abzufangen", fügte er hinzu.
In Deutschland hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) am Dienstag das sogenannte Dublin-Verfahren für Syrer ausgesetzt. Das Verfahren sieht eine Rückführung von Flüchtlingen in das EU-Land vor, in dem sie zuerst angekommen waren.