Und was jetzt???

Hessen nach dem SPD-Debakel - wie kann es jetzt noch weitergehen? Kein Regierungs-Bündnis, das es auch nur halbwegs miteinander aushalten würde, hat eine Mehrheit im Parlament. Die AZ beantwortet wichtige Fragen.
von  Abendzeitung
Nach ihrem Absturz herrscht in Hessen Chaos: Andrea Ypsilanti.
Nach ihrem Absturz herrscht in Hessen Chaos: Andrea Ypsilanti. © dpa

WIESBADEN - Hessen nach dem SPD-Debakel - wie kann es jetzt noch weitergehen? Kein Regierungs-Bündnis, das es auch nur halbwegs miteinander aushalten würde, hat eine Mehrheit im Parlament. Die AZ beantwortet wichtige Fragen.

Wer regiert denn eigentlich jetzt?

Roland Koch. Theoretisch könnte er laut Verfassung bis 2013 als geschäftsführender Ministerpräsident im Amt bleiben. Allerdings: Weil CDU und FDP im Landtag nicht die Mehrheit haben, bekommt er keinen einzigen Beschluss durch; kein neues Gesetz, nicht einmal einen Haushalt. Dagegen können SPD, Grüne und Linke (sofern sie sich bei einem Thema mal einig sind) munter lauter Dinge beschließen, die Koch dann umsetzen muss. Der CDU-Mann kann auch keinen Minister ernennen, nach den Rücktritten der Kultusministerin und des Wissenschaftsministers sind bereits zwei Ressorts verwaist. Ein Zustand, den auf Dauer niemand will. Zumal eigentlich langsam mal zumindest der Haushalt fürs nächste Jahr verabschiedet werden müsste.

Laufen die SPD-Abweichler über zu Koch?

Rechnerisch hätte eine schwarz-gelbe Regierung in der Tat zusammen mit den vier Anti-Ypsilanti-Abgeordneten der SPD eine Mehrheit. Doch alle vier haben sehr deutlich gemacht, dass sie noch mehr gegen Koch als gegen Ypsilanti sind. Die vier sind gegen den Wortbruch ihrer Chefin, aber noch lange nicht für eine Fortsetzung der CDU-Regierung.

Gibt es eine große Koalition?

Eine solche Lösung wäre Teilen der CDU und SPD am liebsten, eine Mehrheit im Parlament hätte sie auf jeden Fall. Was sie dennoch sehr unwahrscheinlich macht, sind die Persönlichkeiten. Vor allem die von Roland Koch: Der ist bei den Sozialdemokraten derart verhasst - nicht erst seit seinem drastischen Anti-Ausländer-Wahlkampf, aber seither erst recht -, dass ein Bündnis mit ihm an der Spitze kaum vorstellbar ist. Mehrere Genossen haben der CDU signalisiert, dass man zur Juniorpartnerschaft unter einem anderen CDU-Politiker als Regierungschef bereit wäre. Doch Koch sieht keinen Anlass, zu gehen. Und die CDU keinen, ihn dazu zu zwingen. Problematisch ist auch auf SPD-Seiten die Person Ypsilanti. Ob gerade sie gerade jetzt die Kraft hat, ihre Partei von einem Bündnis mit der CDU zu überzeugen, wird stark bezweifelt.

Oder kommt Jamaika?

Rechnerisch nach wie vor möglich ist ein Bündnis aus Union, FDP und Grünen. Doch das ist inhaltlich schon höchst unwahrscheinlich, und es besteht auch hier das Problem Roland Koch. Ein Bündnis mit ihm ist der grünen Basis vermutlich nicht vermittelbar. Die Grünen machten gestern deutlich, dass diese Option nicht in Frage kommt.

Und eine Ampel?

Die Hessen-FDP wollte schon partout kein Bündnis mit SPD und Grünen eingehen, als Andrea Ypsilanti noch ein gutes Standing hatte. Seit ihrem Gau ist eine Kooperation ausgeschlossen. Auch, weil die FDP damit rechnet, dass es Neuwahlen gibt - und dass Schwarz-Gelb dann haushoch gewinnt. Insofern hat sie keinerlei Interesse, sich jetzt mit der linken Buh-Frau einzulassen. Allerdings: Die FDP will ausdrücklich nicht mehr mit einer so engen Koalitionsaussage wie beim letzten Mal in Neuwahlen gehen.

Also Neuwahlen?

Das ist derzeit tatsächlich die wahrscheinlichste Lösung. Das ist derzeit die wahrscheinlichste Lösung. Alle Parteien wollen zwar nochmals Sondierungsgespräche führen. Doch FDP und Grüne legten sich gestern bereits auf Neuwahlen fest. Mit der SPD, die zweimal gescheitert sei, gehe es einfach nicht, so die Hessen-Grünen. Damit wäre – inklusive CDU – die nötige Mehrheit im Landtag für diesen Schritt gesichert. Die SPD will sich noch nicht äußern, sie stehe noch zu sehr unter Schock. Stattfinden könnten die Wahlen dann am 18. Januar oder 8. Februar, je nachdem, ob der Landtag in seiner nächsten Sitzung (18. November) oder übernächsten (9. Dezember) den Beschluss fasst.

Was wird aus Andrea Ypsilanti?

Es sieht nicht gut aus. Wie viel Macht sie noch in der Hessen-SPD hat, wird sich zeigen. Außerhalb von Hessen hat sie nicht mehr den geringsten Rückhalt – die Bundesspitze geht deutlich auf Distanz, will den hessischen Genossen aber öffentlich keine Ratschläge erteilen.

Und die vier Abweichler?

Von zahlreichen Ortsvereinen wurden gestern bereits Partei-Ausschluss-Anträge gegen sie gestellt. Carmen Everts, eine der vier, stellte alle ihre Ämter – bis auf das Mandat – zur Verfügung. Wenn es Neuwahlen gibt, ist sie auch das bald los. Aufstellt werden die vier vermutlich nie mehr.

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