Und jetzt die Blockade?
Die SPD frohlockt über die linke Mehrheit im Bundesrat – und zählt schon ihre Wunschzettel auf, was sie jetzt alles machen und stoppen will. Aber es gibt Haken. Die AZ erklärt Hintergründe
BERLIN Die SPD wittert Morgenluft: Mit der linken Mehrheit im Bundesrat nach dem Machtwechsel in Niedersachsen will sie jetzt richtig mitmischen. Ihre Lieblingsvorhaben beschließen und die Projekte der Kanzlerin stoppen. Der Plan hat aber seine Tücken.
Was hat die SPD vor? Ihre Vertreter zählten gestern eine ganze Reihe von Dingen auf, die sie jetzt durchsetzen wollen. Parteichef Sigmar Gabriel nannte die doppelte Staatsbürgerschaft („Das ist etwas, was wir endlich machen sollten“), die Gleichstellung von Homo-Ehen, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und vor allem ein Aus für das „irrsinnige Betreuungsgeld“. Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier kündigte eine Initiative für einen Mindestlohn an.
Kommt sie damit durch? Beim Betreuungsgeld sind die Grünen skeptisch: Sie fürchten, dass das Projekt nicht mehr zu stoppen ist. „Es ist schon so weit auf dem Weg“, so Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck. Denn das Vorhaben ist bereits im Dezember vom Bundesrat abgesegnet worden. Denkbar ist, dass der Bundesrat beschließt, dass das Betreuungsgeld zurückzunehmen ist. Dann gilt das Gleiche wie bei den anderen Projekten wie Mindestlohn und Homo-Ehe auch: Die linke Mehrheit in der Länderkammer kann sie beschließen. Damit sie in Kraft treten, müsste auch der Bundestag zustimmen – das wird er mit seiner schwarz-gelben Mehrheit kaum tun. Deswegen geht es um die öffentlichkeitswirksame Botschaft, nicht um eine tatsächliche Einführung.
Wieder Spekulationen über eine große Koalition
Was gibt es noch für Haken? Bis die neue Regierung in Niedersachsen steht, wird es wohl März: Bis dahin gelten die alten Mehrheitsverhältnisse. Die Regierung könnte das nutzen. Und: Rot-Grün braucht die Linke für ihre neue Mehrheit. Man wird sehen, welchen Preis sie dafür will.
Was kann jetzt gestoppt werden? Theoretisch alles. Bisher hat Schwarz-Gelb gern getrickst und die Gesetze so formuliert (etwa beim Rentenbeitrag), dass sie gar nicht erst durch die Länderkammer müssen. Mit der neuen Mehrheit kann der Bundesrat jetzt aber auch nicht-zustimmungspflichtige Gesetze in den Vermittlungsausschuss überweisen und sie so ausbremsen. Allerdings ist vor der Wahl im Herbst nicht mehr viel geplant. Der größte Brocken ist das Paket gegen Altersarmut: Hier sind erstens die Regierungsparteien noch viel zu zerstritten (die CSU will mehr für Mütter, Arbeitsministerin von der Leyen mehr für Geringverdiener), als dass es überhaupt ein beschlussfähiges Projekt gäbe. Zweitens ist die Frage, ob die SPD ausgerechnet eine Rentenaufbesserung verhindern will. Die anderen anstehenden Gesetze sind nicht gerade Kampfthemen: Steuerfreibetrag für Übungsleiter, Verbraucherrechte bei Riester-Renten. Viel wichtiger wird die Blockade-Frage nach der Wahl: Denn die Länderkammer-Mehrheit ist Rot-Grün auf mittlere Sicht nicht zu nehmen. Schwarz-Gelb wären selbst bei einem neuen Sieg die Hände gebunden. Das nährt nun wieder die Spekulationen über eine große Koalition.