UN fordern stärkere Armutsbekämpfung in Deutschland

BDie Vereinten Nationen kritisieren die soziale Lage in Deutschland. Viele Kinder und Migranten würden benachteiligt, es fehle an einem umfassenden Armutsbekämpfungsprogramm.
von  dpa

Die Vereinten Nationen kritisieren die soziale Lage in Deutschland. Viele Kinder und Migranten würden benachteiligt, es fehle an einem umfassenden Armutsbekämpfungsprogramm.

Berlin - Das sind zwei zentrale Kritikpunkte in einem vorläufigen Bericht, aus dem zuerst der Berliner "Tagesspiegel" (Mittwoch) zitierte, und der auch der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Das Bundessozialministerium wies die Kritik als "in weiten Teilen nicht nachvollziehbar" zurück.

Der zuständige UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte bemängelte, dass in Deutschland jedes vierte Kind ohne Frühstück zur Schule geht. Nachdrücklich fordern die UN-Experten "konkrete Maßnahmen", damit "Kinder, besonders aus armen Familien, richtige Mahlzeiten erhalten", ohne dass die Kinder "stigmatisiert" werden.

Der Ausschuss registriert "mit Sorge", dass 13 Prozent der deutschen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt - darunter 2,5 Millionen Kinder - und 1,3 Millionen Menschen trotz Arbeit staatliche Unterstützung benötigen. Notwendig sei ein nationales Programm gegen Armut.

Die UN-Experten beklagen zudem, dass sich Migranten nach wie vor großen Hindernissen bei Bildung und Beschäftigung gegenübersähen. Asylsuchenden würden sogar ausreichende Sozialleistungen versagt, dabei müssten sie "im Einklang mit internationalen Normen" den gleichberechtigten Zugang zu sozialen Sicherungssystemen, zur Gesundheitsversorgung und zum Arbeitsmarkt erhalten.

Besorgt ist das UN-Gremium auch, dass die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland immer noch doppelt so hoch ist wie im Westen. Positiv hervorgehoben werde in dem Bericht, dass die Arbeitsmarktreformen den niedrigsten Stand der Arbeitslosen in den vergangenen 20 Jahren ermöglicht hätten. Beim Zugang zu Jobs sehen die UN Frauen wegen "klischeehafter Vorstellungen der Geschlechterrollen" benachteiligt.

Erheblich ausgebaut werden müssten in Deutschland Angebote für Kinder, Behinderte, Ältere und Kranke. So würden in Pflegeheimen viele Bewohner "in menschenunwürdigen Bedingungen leben". Viele frühere Empfehlungen seien nicht umgesetzt worden, moniert der UN-Ausschuss.

Das Bundessozialministerium wies die Kritik als "nicht durch wissenschaftliche Fakten belegt" zurück. Deutschland habe in den vergangenen Jahren auch im Sozialbereich eine positive Entwicklung genommen, die weltweit hoch anerkannt sei, sagte eine Sprecherin in Berlin. "Es ist schade, dass der UN-Unterausschuss nahezu keine Fakten aus der umfangreichen Stellungnahme der Bundesregierung im Bericht berücksichtigt hat."

Der Sprecher des Erwerbslosen Forums Deutschland, Martin Behrsing, kritisierte: "Die Bundesregierung gaukelt seit Jahren den Menschen eine soziale Gerechtigkeit vor, die in Wahrheit eine dramatische Verarmung und Diskriminierung von Menschen ist."

Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen, erklärte: "In Deutschland gibt es keine Integrationsmisere, sondern eine Bildungs- und Chancengleichheitsmisere."

Der UN-Ausschuss wurde 1985 eingerichtet, um die Umsetzung der Konvention über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu überwachen. Die Unterzeichnerländer müssen dem Ausschuss alle fünf Jahre Bericht erstatten. Zweimal jährlich - im Frühjahr und Herbst - tagen die 18 Experten für mehrere Wochen in Genf, zuletzt im Mai. Auch der UN-Menschenrechtsrat hatte in früheren Jahren schon die unzureichende Schulbildung für Kinder aus armen und ausländischen Familien kritisiert.

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