UN empört über Tötung von 30 Schutzsuchenden
TEL AVIV/GAZA - Die israelische Armee hat nach UN-Angaben im Gazastreifen ein Haus beschossen, in dem sie zuvor rund 110 Schutz suchende Palästinenser untergebracht hatte. Das UN-Büro unterstelle keinerlei Absicht, sondern teile nur die Fakten mit.
Bei dem Angriff vom 4. Januar in Seitun seien mindestens 30 Menschen getötet worden, teilte das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) am Freitag in Jerusalem mit. Mitarbeitern des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) sei aber erst am Mittwoch gestattet worden, während einer dreistündigen Feuerpause die Opfer aus einem von Israel zur militärischen Sperrzone erklärten Gebiet zu bergen.
Nach Augenzeugenberichten habe die israelische Armee die mehr als 100 Palästinenser - die Hälfte davon Kinder - in ein Haus gebracht und sie aufgefordert, dies nicht zu verlassen. 24 Stunden später sei das Haus mehrfach mit Panzergranaten beschossen worden. Verwundete und Tote hätten die ganze Zeit über zusammen unter den Trümmern gelegen, sagte die stellvertretende OCHA-Sprecherin Allegra Pacheco. Nach Augenzeugenberichten wurden mehrere kleine Kinder gefunden, die sich an ihre toten Mütter schmiegten.
Das UN-Büro unterstelle keinerlei Absicht, sondern teile nur die Fakten mit, sagte Pacheco. «Derzeit gibt es keinen sicheren Platz in Gaza.» Die israelische Armee habe trotz zweier Nachfragen bislang nicht auf die Vorwürfe reagiert.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zeigte sich schockiert, dass Mitarbeiter für so lange Zeit nicht in die militärische Sperrzone gelassen worden seien. Israel habe seine Verpflichtung unter internationalem Recht verletzt, für die Verletzten so sorgen und sie in Sicherheit zu bringen, heißt es in einer Erklärung. Die israelische Armee müsse von dem Vorfall gewusst haben, habe aber den Verwundeten nicht geholfen. Außerdem habe die Armee es weder Mitarbeitern des IKRK noch denen der palästinensische Schwesterorganisation möglich gemacht, den Menschen zu helfen.
Indessen schränkt das UN-Hilfswerk für Palästinaflüchtlinge (UNRWA), die größte Hilfsorganisation im Gazastreifen, nach dem Tod von zwei Mitarbeitern seine Arbeit vorübergehend weiter ein. Mitarbeiter würden sich nicht mehr im Freien bewegen, nachdem israelische Soldaten in den vergangenen Tagen mehrfach Hilfskonvois beschossen hätten, obwohl Fahrtrouten und Fahrtzeiten von der Armee zuvor bestätigt worden seien, heißt es in einer UNRWA-Erklärung vom Freitag. Die Hilfsorganisation werde ihre Arbeit erst fortsetzen, wenn sie glaubhafte Zusagen der israelischen Behörden für den Schutz von Mitarbeitern, Einrichtungen und Hilfsleistungen erhalte.
Israel ließ ungeachtet der anhaltenden Kämpfe am Freitag wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen passieren. Ursprünglich habe Israel wieder eine dreistündige Feuerpause einhalten wollen, aber dann seien die Angriffe von Palästinensern erwidert worden, sagte ein Sprecher im israelischen Verteidigungsministerium.
Die Hilfsgüter wurden den Angaben zufolge am Grenzübergang Kerem Schalom nicht mehr vom UNRWA, sondern von privaten Geschäftsleuten sowie kleinen Hilfsorganisationen in Empfang genommen.
Das UNRWA ist die größte Hilfsorganisation im Gazastreifen. Sie versorgt rund die Hälfte der 1,5 Millionen Einwohner. (dpa)
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